Revolutionsgarden: Experte berichtet von geheimem Atomprogramm im Iran
Das Atomabkommen betreffe nur die zivile Forschung des Iran, sagt ein früherer Spitzenbeamter des Verteidigungsministeriums. Die Revolutionsgarden seien längst weiter.
Was ist dran an den Vorwürfen von US-Präsident Donald Trump gegen den Iran? Während Europa eine Spirale der Gewalt im Nahen Osten und einem Flächenbrand befürchtet, hat Trump das 2015 vereinbarte Abkommen zur Kontrolle des iranischen Atomprogramms einseitig aufgekündigt. Dabei sollte das Abkommen doch genau das verhindern – nämlich den Bau einer iranischen Atombombe. Doch aus Sicht der USA hat Iran seine militärischen Nuklearpläne trotz des Abkommens im Stillen einfach weitergeführt.
Ein früherer ranghoher deutscher Militär sieht dafür gute Gründe. Hans Rühle, in den 1980er-Jahren Chef des Planungstabs im Bundesverteidigungsministerium, später auf leitenden Posten der Nato, behauptet nun: Der Iran ist längst eine Nuklearmacht. In einem Beitrag für die „Welt“ hat er eine Indizienkette skizziert.
Zwar bleibt einiges im Ungefähren, weil zahlreiche Informationen auf Erkenntnissen der Geheimdienste beruhen. Doch Rühle, der ein ausgewiesener Kenner ist und als einer der deutschen Experten in Sachen Nuklearwaffen gilt und vielfach zu nuklearen Sicherheitsrisiken publiziert hat, beschreibt nachvollziehbar und kenntnisreich „Irans geheimen Weg zur Bombe“. Was davon und ob das alles zutrifft – die Bundesregierung hält sich zu all dem bisher zurück.
Rühle zufolge betreiben Irans Revolutionsgarden bereits seit 1984 in militärischen Anlagen unter strengster Geheimhaltung ein nukleares Waffenprogramm. Das Atomabkommen erfasse dagegen nur das zivile Atomprogramm des Iran – und das wiederum sei reine Fassade. Auch der Bundesnachrichtendienst (BND) habe schon 1984 Wind von dem Nuklearwaffenprogramm bekommen. Und 1990 habe unter den westlichen Geheimdiensten bereits weitgehend Einigkeit über das geheime Nuklearprogramm der Revolutionsgarden geherrscht.
Doch für die Internationale Atomenergiebehörde IAEA und auch bei den Verhandlungen mit Europa hätte vor und nach der Jahrtausendwende nur Irans ziviles Atomprogramm eine Rolle gespielt, für das Iran auch den Zugang gestattete. Seit zwei Jahrzehnten, stellt Rühle fest, produzierten die Revolutionsgarden hoch angereichertes Uran für den Bau von Atombomben.
Auch andere technische Voraussetzungen habe der Iran längst geschaffen – wie den Bau kompakter Sprengköpfe. Daneben habe der Iran längst sogenannte „kalte Tests“ durchgeführt – eine der wichtigsten Voraussetzungen für den Bau der Bombe, wenn genügend spaltbares Material für einen nuklearen Sprengsatz vorhanden sei. Spätestens seit 2005/06 hätten alle westlichen Geheimdienste „nachweislich“ von diesen Versuchen der Revolutionsgarden gewusst. Nach all den Indizien stellt Rühle fest, „ist das Land seit 2005/2006 Nuklearmacht“. Dabei beruht sich der frühere Nato-Mitarbeiter auch auf entsprechende Äußerungen der Führung in Teheran aus dem Jahr 2006, wonach Iran nun Mitglied des „nuklearen Clubs“ sei.
Zudem zitiert Rühle Presseberichte und Geheimdiensterkenntnisse aus dem vergangenen Jahrzehnt über die enge Zusammenarbeit iranischer und nordkoreanischer Nuklearwissenschaftler – und über Irans Vorbereitungen für unterirdische nukleare Tests. Einen kleinkalibrigen „heißen“ Nukleartest soll Iran im Mai 2010 in Nordkorea durchgeführt haben. Dass es den Test gab, ist unstrittig.
Auch deutsche Geheimdienste warnten vor Atomplänen
Rühle führt nun Indizien an, dass es Iran war, darunter Hinweise aus dem Umfeld des BND. „Seit dieser Zeit bauen die iranischen Revolutionsgarden ungestört ein Arsenal von Nuklearwaffen auf“, schreibt Rühle. Vor diesem Hintergrund sei das Atomabgekommen, geschlossen von Trumps Vorgänger Barack Obama und nun verteidigt von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), eine Farce. Das Nuklearwaffenprogramm der Revolutionsgarden sei eine reale Gefahr.
Selbst die deutschen Sicherheitsbehörden beobachten seit Jahren das Vorgehen des Mullah-Regimes in Teheran. So berichtete der Tagesspiegel im Sommer 2016, im Jahr nach Inkrafttreten des Atomabkommens mit dem Iran: „Der Verfassungsschutz hat gravierende Erkenntnisse, dass der Iran weiter mit aller Macht versucht, Material zu erwerben, das für den Bau von Atomsprengköpfen und Trägerraketen verwandt werden kann.“ Deshalb erklärte es der Verfassungsschutz auch zu seinen Schwerpunkten, die Beschaffung und Weitergabe von Technik für Massenvernichtungswaffen insbesondere an den Iran abzuwehren.