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Nach einer Umfrage wären 30 Prozent der AfD-Wähler bereit, dem CDU-Kandidaten Hans-Georg Maaßen ihre Erststimme zu geben.
© Jens Schluter/AFP

Hans-Georg Maaßen im Wahlkampf: Ex-Verfassungsschutzchef gegen Beobachtung der AfD

Der frühere Chef des Verfassungsschutzes polarisiert im Wahlkampf in Südthüringen immer mehr. Um zu gewinnen braucht Maaßen die Stimmen von AfD-Wählern.

Hans-Georg Maaßen muss wissen, dass dieser Satz wieder für Schlagzeilen sorgen wird. Der Ex-Verfassungsschutzchef ist im Videointerview mit der rechten Wochenzeitung „Junge Freiheit“ zugeschaltet. „Ich bin der festen Überzeugung, der Verfassungsschutzchef sollte keine Parteien in Deutschland beobachten“, sagt Maaßen in die Kamera. Das sei nicht Sache eines Inlandsgeheimdienstes. Er halte deshalb auch die Beobachtung der AfD nicht für richtig, erklärt Maaßen. Kaum ist das Video am Donnerstag veröffentlicht, verbreitet sich die Aussage rasant.

Immer wieder sorgen Maaßens populistische Aussagen, seine mangelnde Abgrenzung zur AfD für Ärger. Seit klar ist, dass Maaßen in Südthüringen als Direktkandidat für die CDU antritt, ist er für die Partei ein unangenehmes Dauerthema. Regelmäßig wird Kanzlerkandidat Armin Laschet mit den Aussagen des Ex-Verfassungsschutzchefs konfrontiert. Und nun spitzt sich wenige Tage vor der Wahl der Streit um Maaßen und den Wahlkreis 196 weiter zu – nicht nur wegen dessen Aussagen zum Verfassungsschutz.

Ein knappes Rennen

Für Aufregung sorgt der Zuspruch, den Maaßen aus der AfD bekommt. Die Partei hat im Wahlkreis den relativ unbekannten, 70-jährigen Kandidaten Jürgen Treutler aufgestellt. Schon früh befürchteten die anderen Parteien, die AfD könnte sich Maaßen im Parlament wünschen und ihre eigenen Anhänger deshalb aufrufen, den CDU-Mann zu wählen. Diese Woche sagte der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke, es gebe bei Maaßen viele Schnittmengen zur AfD. Dieser sei ein „Stachel im Fleisch“ der CDU.

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Kurz darauf berichteten regionale Medien wie das „Freie Wort“ von einer Mitteilung des Suhler AfD-Fraktionschefs Bernhard Meinunger, die sich wie ein Wahlaufruf für Maaßen lesen ließ. Der Ex-Verfassungsschutzchef sei ein „Beamter, der sich nicht für Parteipolitik missbrauchen“ lasse, hieß es darin. Meinunger ruderte später zwar wieder zurück, dennoch dürfte die Aussage bei den Anhängern angekommen sein.

Es ist ein knappes Rennen im Wahlkreis 196. Die CDU in Südthüringen stellte Maaßen auf, nachdem der eigentliche Direktkandidat Mark Hauptmann wegen seiner Verwicklung in die Maskenaffäre zurückgetreten war. Die Christdemokraten vor Ort erhofften sich auch, mit Maaßens Nominierung AfD-Wähler zur CDU zurückholen zu können.

[Abonnenten von T+ lesen hier eine eine Reportage aus Maaßens Wahlkreis: Hans-Georg Maaßen kämpft auf eigene Rechnung]

Maaßens wichtigster Konkurrent ist der Ex-Biathlet und Olympiasieger Frank Ullrich, der für die SPD ins Rennen geht. Im Gegensatz zu Maaßen kommt er aus Südthüringen. Die große Frage wird sein, wie viele Anhänger anderer Parteien Ullrich für sich gewinnen kann. Ein Politikum ist dabei die Kampagne der Bewegungsplattform „Campact“, die unbedingt Maaßen verhindern will. Der Verein wirbt schon seit Monaten dafür, dass sich SPD, Grüne und Linke mit ihren Anhängern hinter Ullrich versammeln.

Mittlerweile rufen die Grünen ihre Wähler tatsächlich dazu auf, für Ullrich zu stimmen. „Wenn die Union, wie so oft im Kampf gegen Rechts, keine Verantwortung übernimmt, müssen es die anderen Parteien tun“, twitterte etwa die Grüne Ricarda Lang.

Ramelow sieht „unzulässige Manipulation“

Campact machte nun verstärkt Druck, damit auch die Linke zur Wahl des SPD-Bewerbers Ullrich aufruft, anstatt für ihren eigenen Kandidaten Sandro Witt zu werben. Die Genossen halten davon aber wenig.

Ministerpräsident Bodo Ramelow machte seinem Ärger über Campact auf Facebook Luft. „Sie bitten den Ministerpräsidenten eines Bundeslandes darum, seinen Einfluss auf Kandidaten einer freien Wahl auszuüben, damit der seine Kandidatur zurückzieht?“, schrieb er. Er werde bei dieser „unzulässigen Manipulation“ der Bundestagswahl nicht mitmachen.

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Ullrich kann aber hoffen, dass er Stimmen von CDU-Wählern bekommt, denen Maaßen zu rechts ist. Kürzlich rief sogar die CDU-Politikerin Karin Prien, Bildungsministerin in Schleswig-Holstein, indirekt zur Wahl Ullrichs auf.

Bleibt auf der anderen Seite die Frage: Unterstützt die AfD Maaßen? Führende Vertreter der Partei betonten, dass man nur für den eigenen Kandidaten Treutler und nicht für einen CDU-Mann werbe. Treutler erklärt am Telefon: „Ich habe die eindeutige Unterstützung des AfD-Bundesvorstandes.“ Er sei das „Original“, komme aus der Region. „Ich will für die AfD gewinnen, alles andere wäre Verrat.“

Maaßen ist auf AfD-Wähler angewiesen

Dennoch könnte Maaßen einen beträchtlichen Anteil seiner Stimmen von AfD-Wählern bekommen. Einer Forsa- Umfrage zufolge wären 30 Prozent von ihnen bereit, ihm ihre Erststimme zu geben. Und Maaßen fischt fleißig weiter am rechten Rand – etwa mit seiner Ablehnung der Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz.

Für ihn geht es bei der Wahl um alles oder nichts: Anders als Ullrich ist er nicht über die Landesliste seiner Partei abgesichert. Wenn er den Sieg im Wahlkreis verpasst, war es das mit Maaßens Traum vom Bundestag. Vielen seiner Parteikollegen dürfte das ganz recht sein. Maaßen hat schon mehrfach angekündigt, eine Koalition mit den Grünen „torpedieren“ zu wollen.

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