Verhandlungen über die Juncker-Nachfolge: Ex-SPD-Chef Schulz brachte Timmermans zurück ins Spiel
Der Sozialdemokrat Timmermans hatte zwischenzeitlich keine Chancen mehr, EU-Kommissionschef zu werden. Doch dann nutzte Martin Schulz seine alten EU-Kontakte.
Der frühere Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz (SPD), hat eine wichtige Rolle bei einem Kompromissvorschlag zu den EU-Spitzenposten gespielt. Wie der Tagesspiegel aus SPD-Kreisen erfuhr, war Schulz erbost darüber, dass das Spitzenkandidatenprinzip aufgegeben werden sollte. Dieses besagt, dass nur jemand Chef der EU-Kommission werden kann, der zuvor bei der Europawahl als Spitzenkandidat angetreten ist.
Da der CSU-Politiker Manfred Weber wegen massiver Vorbehalte des französischen Präsidenten Emmanuel Macron nicht durchsetzbar war, kontaktierte Schulz Portugals Premier António Costa. Darüber berichtete als erstes das Portal Politico.
Dieser wiederum verabredete mit anderen sozialdemokratischen Regierungschefs wie Spaniens Ministerpräsidenten Pedro Sánchez, dass das Spitzenkandidatenprinzip ohne Wenn und Aber zu gelten habe – so stiegen die Chancen für Timmermans als Kompromisskandidat.
Schulz wohnt nur acht Kilometer Luftlinie von Timmermans entfernt und nutzte seine nach wie vor sehr guten Kontakte in Europa. Auf diese Weise warb er für die Idee, den Zweitplatzierten der Europawahl zum Kommissionspräsidenten zu machen.
Und Schulz konfrontierte Merkel vergangenen Mittwoch in der Regierungsbefragung des Bundestags mit einem Satz, den sie beim vorangegangenen EU-Gipfel gesagt haben solle: „Wenn Weber raus ist, dann sind alle raus.“
Das wäre die Aufgabe des Spitzenkandidatenprinzips gewesen – und hätte einen schweren institutionellen Konflikt mit dem Europaparlament heraufbeschworen. Denn das Parlament wehrt sich dagegen, dass die Staats- und Regierungschefs einfach nach der Wahl eigene Kandidaten aus dem Hut zaubern und das Parlament vor vollendete Tatsachen stellen.
Merkel antworte sehr länglich, ohne sich zunächst klar zu dem Prinzip zu bekennen. Am Rande des G20-Gipfels wurde der Timmermanns-Kompromiss im Beisein von Merkel und Macron schließlich intensiv erörtert und mangels anderer überzeugender Alternativen wurde dies auch von Merkel als Lösungsmodell ins Rennen geschickt.
In der Nacht zum Montag hätte ein EU-Gipfel eigentlich eine Entscheidung über den Posten des Kommissionspräsidenten finden sollen. Doch am Montagmittag vertagte sich der Gipfel ohne Ergebnis auf den Dienstag. Der Plan, Timmermans den Posten zu geben, ist aber noch immer im Spiel. Vor allem von Staaten wie Ungarn und Polen gibt es zwar Widerstand. Dennoch könnte der Plan als Teil eines größeren Personalpakets – austariert zwischen den wichtigsten Parteien und Regionen Europas – am Dienstag bei der Gipfelfortsetzung durchgehen.