„Wir sitzen in der Klemme“: Ex-Premier Cameron schließt zweites Brexit-Referendum nicht aus
Kritiker werfen ihm vor, er hätte einst mit dem Brexit-Referendum die Tory-Partei retten wollen. Nun meldet sich Cameron mit Kritik an Premier Johnson zurück.
David Cameron hält ein zweites Brexit-Referendum nicht für ausgeschlossen. Das sagte der frühere britische Premierminister in einem Interview der „Times“ vom Samstag. „Ich glaube, man kann es nicht ausschließen, weil wir in der Klemme sitzen“, sagte Cameron.
Gleichzeitig kritisierte Cameron das Vorgehen des aktuellen Regierungschefs Boris Johnson. Er unterstütze weder die von Johnson auferlegte Zwangspause des Parlaments noch den Fraktions-Rauswurf von 21 Tory-Abgeordneten, die gegen die Regierung gestimmt hatten. Beides sei „nach hinten losgegangen“. Auch ein EU-Austritt ohne Abkommen, wie von Johnson angedroht, sei keine gute Idee, so Cameron.
Cameron war nach dem Brexit-Votum der Briten im Jahr 2016 zurückgetreten. Er hatte das Referendum 2013 unter dem Druck des europaskeptischen Flügels seiner konservativen Tory-Partei zugesagt. Cameron hatte für den Verbleib Großbritanniens in der EU geworben, unterlag aber knapp den Befürwortern eines Austritts, zu deren Wortführern Johnson gehörte.
Cameron stand unter Druck
„Einige Leute werden mir niemals vergeben, dass ich ein Referendum organisiert habe, andere, dass ich es organisiert und verloren habe“, sagte Cameron der „Times“. Doch es gebe auch „all die Menschen, die ein Referendum wollten und (aus der EU) austreten wollten, die froh sind, dass ein Versprechen gemacht und gehalten wurde.“
Er habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, betonte Cameron. Er räumte aber ein, dass er unter „enormem politischem Druck“ gestanden habe. Nach seinem Rücktritt sei er „zutiefst deprimiert“ gewesen.
Cameron sagte, es sei „schmerzhaft“, die Verhandlungen über ein mögliches Brexit-Abkommen mitzuverfolgen. Ein chaotischer Brexit ohne Abkommen wäre „schlecht“.
In der kommenden Woche will Cameron seine Memoiren mit dem Titel „For the Record“ (deutsch: „Zur Mitschrift“) veröffentlichen. (dpa/AFP)