Kritik an Groko-Einigung: Ex-Fraktionschef Merz spricht von "Demütigung" der CDU
Nach dem Abschluss der Koalitionsverhandlungen regt sich vor allem in CDU und SPD Widerstand. Während die Jusos eine neue Kampagne starten, äußern mehrere CDU-Politiker harsche Kritik in der "Bild"-Zeitung.
Zwei Tage nach der Einigung über einen schwarz-roten Koalitionsvertrag beginnt der SPD-Nachwuchs nun offiziell mit seiner Kampagne gegen eine neue große Koalition. Juso-Chef Kevin Kühnert startet am Freitagnachmittag in Leipzig eine bundesweite Auftrittsserie, mit der für ein Nein der Sozialdemokraten beim SPD-Mitgliederentscheid geworben wird. Aber auch in der CDU melden sich immer mehr kritische Stimmen. Vor allem bei der Ministeriumsverteilung sehen sie ihre Partei zu kurz gekommen. Der geschäftsführende Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) hält dagegen. „Es wäre falsch, wenn man die Ministerien und die Staatssekretäre höher stellt als die Inhalte“, sagte er am Donnerstagabend in den ARD-„Tagesthemen“.
Millionen Menschen würden entlastet, beim Kindergeld, beim Solidarzuschlag, mit Investitionen in die Bildung. „Das sind die entscheidenden Themen und nicht die Frage, welches Ministerium von welcher Partei verwaltet wird.“ Die Union erhalte auch alle für Zukunftsfragen wichtigen Ressorts. Die SPD, die bei der Wahl im September deutlich schwächer abgeschnitten hatte, bekommt sechs Ministerien, darunter die besonders wichtigen für Finanzen, Äußeres und Arbeit/Soziales - die CDU neben Kanzlerin und Kanzleramtschef nur fünf.
Der frühere Unionsfraktions-Chef Friedrich Merz sagte der „Bild“-Zeitung (Freitag): „Wenn die CDU diese Demütigung auch noch hinnimmt, dann hat sie sich selbst aufgegeben.“ Der Außenpolitiker Norbert Röttgen sagte dem Blatt: „Die CDU ist damit innerhalb des Regierungsapparats strukturell geschwächt und verliert an Einfluss.“ Ein Staatssekretär habe der Zeitung zudem gesagt: „Die Partei wird abgewirtschaftet. Die Sozis ziehen uns mit in den Untergang."
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) erinnerte derweil an ein altes Versprechen: CDU und CSU sollten „die Hälfte der Kabinettsposten mit Frauen besetzen“, sagte er am Abend in Bremen. Der Vorsitzende der Jungen Union, Paul Ziemiak, forderte eine personelle Verjüngung und verwies darauf, dass noch nicht alle Ressorts offiziell besetzt sind. „Wir brauchen mehr junge Gesichter in der Regierung, wenn wir über die Zukunft Deutschlands sprechen wollen“, sagte der Bundestagsabgeordnete dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Auch in der Partei sei ein Generationswechsel nötig.
Union warnt designierten Finanzminister Scholz
Den designierten SPD-Finanzminister Olaf Scholz warnt die Unionsseite bereits vor einem Kurswechsel in der Finanzpolitik. „Die Union erwartet von einem zukünftigen SPD-Finanzminister, dass die Schwarze Null und die Schuldenbremse im Bundeshaushalt strikt eingehalten werden“, sagte der CDU-Experte Eckhardt Rehberg der Deutschen Presse-Agentur. Im Koalitionsvertrag seien prioritäre Maßnahmen für 46 Milliarden Euro vereinbart. „Für alles andere gilt ein klarer Finanzierungsvorbehalt.“ CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sagte der „Passauer Neuen Presse“ (Freitag): „Er darf auf gar keinen Fall die Spendierhosen für Europa anziehen.“
In der SPD wird unterdessen abgerechnet. Der geschäftsführende Vizekanzler und Außenminister Sigmar Gabriel, der der neuen Regierung voraussichtlich nicht angehören wird, beklagte in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, „wie respektlos bei uns in der SPD der Umgang miteinander geworden ist und wie wenig ein gegebenes Wort noch zählt“. Falls die SPD-Mitglieder den ausgehandelten Vertrag billigen, verliert Gabriel sein Amt an Parteichef Martin Schulz, für den er vor einem Jahr auf die Kanzlerkandidatur verzichtet und den Parteivorsitz aufgegeben hatte.
Oppermann über Gabriel: "Damit muss er sich abfinden"
SPD-Vize Olaf Scholz bestreitet aber die Möglichkeit eines Bruchs. „Das hoffe und glaube ich nicht, dass das so ist. Sigmar Gabriel hat als Parteivorsitzender Hervorragendes geleistet und zuletzt auch als Außenminister“, sagte der Hamburger Bürgermeister im ZDF-„Heute Journal“. „Das Wichtigste ist, dass alle, die als Person in der Politik aktiv sind, immer einen Blick dafür behalten, dass es um die Sache geht - und in diesem Fall ist das unser Land.“ Der frühere Bundestagsfraktionschef Thomas Oppermann sagte dem ZDF: „Ämter werden nur auf Zeit vergeben. Damit muss er sich abfinden, und ich glaube, das schafft er auch.“
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) glaubt auch nicht, dass Gabriel in der Bedeutungslosigkeit verschwindet. „Das ist nicht das Ende seiner politischen Arbeit und auch nicht seiner politischen Karriere“, sagte er am Abend in Springe bei Hannover, aber in Unkenntnis von Gabriels Interview. Trotz SPD-internen Unmuts über den geplanten Wechsel von Parteichef Schulz auf den Posten des Außenministers sieht Generalsekretär Lars Klingbeil keine Gefahr für das Mitgliedervotum. „Nein“, sagte Klingbeil der dpa auf die Frage, ob die Personalie zur Belastung werde. Es gehe um Inhalte. „Wir haben ein gutes Ergebnis mit überzeugenden sozialdemokratischen Inhalten verhandelt.“
Die SPD-internen GroKo-Gegner finden das nicht unbedingt. Ihrem Wortführer, Juso-Chef Kühnert, reicht die für die SPD vergleichsweise große Ministeriumszahl nicht aus. „Ministerien zu haben alleine bringt ja erstmal noch gar nichts. Sondern Politik bemisst sich ja daran, ob man Gesetze durchbekommt“, sagte er der dpa. Und da habe die SPD mit der Union in der vergangenen großen Koalition „schmerzhafte Erfahrungen“ gemacht. Er wies auf das im alten Koalitionsvertrag vereinbarte, aber nicht umgesetzte Rückkehrrecht im Job von Teilzeit auf Vollzeit hin.
Die Jusos planen in ihrer No-GroKo-Kampagne in der Regel zwei Veranstaltungen pro Tag. Ab Mitte Februar wollen dann auch die Koalitionsbefürworter der Parteiführung um Martin Schulz und Andrea Nahles auf Tour zur Parteibasis gehen. Das Ergebnis der Abstimmung aller rund 460 000 Sozialdemokraten wird voraussichtlich am 4. März verkündet. (dpa)