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Bernd Lucke, AfD.
© dpa

Neugegründete "Liberale in der AfD": Ex-FDP-Mitglieder drängen auf Kurswechsel bei der AfD

Jetzt gibt es auch noch die „Liberalen in der AfD“: Marcus Pretzell, der vom AfD-Bundesvorstand kürzlich eine Verwarnung kassierte, hat zusammen mit anderen Ex-FDP-Mitgliedern ein Papier vorgelegt. Darin wird die Abschaffung des staatlichen Geldmonopols gefordert und gegen „Klimahysterie“ gewettert.

Die Alternative für Deutschland machte in den vergangenen Tagen mehr mit personellem Streit als mit inhaltlichen Debatten auf sich aufmerksam. Nun hat sich eine weitere innerparteiliche Gruppierung zu Wort gemeldet: „Die Liberalen in der AfD“. Die Wortwahl irritiert etwas, gibt es doch in der AfD bereits die „Kolibris“ – die „Konservativen und Liberalen in der AfD“, angeführt von der ehemaligen AfD-Pressesprecherin Dagmar Metzger.

Brisant an der Formierung der „Liberalen in der AfD“ ist neben der Namensähnlichkeit noch etwas anderes: Einige Unterzeichner eines von den „Liberalen“ präsentierten Positionspapiers standen im Zentrum der jüngsten Konflikte mit AfD-Chef Bernd Lucke: Marcus Pretzell, frisch gewähltes Bundesvorstandsmitglied aus Nordrhein-Westfalen, war vom restlichen Vorstand am Wochenende gerügt worden, weil er an einer Veranstaltung mit dem Chef der britischen Anti-EU-Partei Ukip, Nigel Farage, in Köln teilgenommen hatte. Auf dem Podium saß dort auch Martin E. Renner - er gehört jetzt ebenso zu den Unterzeichner wie Philipp Ritz, der Chef der AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“. Pretzell und Ritz waren früher in der FDP.

In dem Papier wird beklagt, dass die AfD-Führung im Wahlkampf „stets von Demokratie und Recht, doch selten nur von dem Wort Freiheit“ gesprochen habe. Bei der Bundestagswahl sei ein Fünftel der AfD-Wähler von der FDP gekommen: „Diese stellten somit die größte Wählergruppe dar. Deutschland braucht dringend liberale Politik!“ Denn die FDP habe in dieser Funktion „kläglich versagt“. Bernd Lucke hatte es in der Vergangenheit abgelehnt, die AfD als „liberalste aller Parteien“ zu bezeichnen.

Mit dem Papier wollen sich die Unterzeichner in die laufende Debatte um „Leitlinien der AfD“ einschalten, die Lucke auf dem Parteitag vor zwei Wochen in Erfurt angestoßen hatte. Der Entwurf war damals auf Antrag Luckes hin allerdings nicht debattiert, sondern zur Mitgliederdiskussion im Internet überwiesen worden. Luckes Papier sollte sehr allgemein gehaltene Grundwerte der AfD festschreiben, wie Rechtsstaat, Demokratie und Gewaltenteilung. Die Unterzeichner des Positionspapiers hingegen versuchen sich an sehr viel dezidierteren Festlegungen – was auch deshalb das Zeug zum Konflikt hat, weil die AfD gerade eben erst ein Europawahlprogramm verabschiedet hat und ein Grundsatzprogramm erst für die Zukunft geplant ist.

Neben allerlei Verweisen auf den Grundgedanken der „Freiheit“ dürften insbesondere Forderungen wie die, das Geldmonopol des Staates abzuschaffen, beim AfD-Bundesvorstand auf wenig Gegenliebe stoßen. Daneben wird zum Beispiel die Abschaffung der Rundfunkgebühr verlangt und gegen die „Klimahysterie“ Position bezogen. Bis heute gebe es keinen wissenschaftlichen Nachweis dafür, dass der Mensch durch seinen Kohlendioxid-Ausstoß für den Klimawandel verantwortlich ist.

Mitunterzeichner Philipp Ritz wies Spekulationen zurück, das Papier könne als Teil eines Machtkampfs zwischen Pretzell-Unterstützern und Lucke verstanden werden: „Das Papier hat nichts mit der Abmahnung von Herrn Pretzell durch den Bundesvorstand zu tun“, sagte er dem Tagesspiegel. Unterdessen beschwerte sich Pretzell via Facebook über die Arbeit des AfD-Pressesprechers Christian Lüth: „Bislang kenne ich unseren Bundespressesprecher nicht persönlich, während jener mich dafür umso besser zu kennen scheint und auch ohne Rücksprache mit mir Statements an die Presse herausgibt.“ So habe die „Süddeutsche Zeitung“ fälschlicherweise verbreitet, dass er nicht dem liberalen Flügel der AfD angehöre und Thesen zur Zuwanderungspolitik verbreite.

Unterdessen bleibt unklar, ob es gegen Benjamin Nolte, den zurückgetretenen Vizechef der „Jungen Alternative“, nicht doch noch ein Parteiausschlussverfahren geben wird. Nolte ist Ehemaliger der Münchner Burschenschaft „Danubia“, deren aktive Mitglieder der bayerische Verfassungsschutz als rechtsextrem einschätzt. Der bayerische AfD-Chef André Wächter sagte der „Süddeutschen Zeitung“, ein Ausschluss sei rechtlich schwierig, da der Altherrenverein der „Danubia“ vom Verfassungsschutz nicht offiziell als rechtsextremistisch eingeschätzt werde. Wächter sagt, von Noltes Vorgeschichte habe er erst vergangene Woche erfahren. Aus der AfD ist aber auch anderes zu hören – demnach sei Nolte zunächst bewusst nicht aufgenommen worden, weil dessen Verbindungen zur „Danubia“ als problematisch galten. Nach Tagesspiegel-Informationen machte erst Wächter dann den Weg für Nolte in die AfD persönlich frei.

Zumindest in den Umfragen scheinen die negativen Schlagzeilen der AfD nicht zu schaden. Laut dem aktuellen ARD-„Deutschlandtrend“ kann die AfD bei der Europawahl mit sechs Prozent rechnen (plus eins).

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