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Protest gegen den Internationalen Währungsfonds an der Athener Iniversität.
© Socrates Baltagiannis/dpa

Reformen in Griechenland: Ewig drückt die Steuerschraube

Alles wird teurer: Die Griechen müssen noch einmal mehr zahlen. Bezieher mittlerer Einkommen werden etwas geschont – und Großinvestitionen der Wirtschaft gefördert.

Draußen flogen Brandsätze, drinnen böse Worte. Am Ende zog die Koalitionsregierung des griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras in der Nacht zu Montag einmal mehr neue Spar- und Reformgesetze durch. Ihre knappe Mehrheit von drei Stimmen hielt. Gewerkschafter, Landwirte und sogar Polizisten, die in Athen vor dem Parlament auf dem Syntagma-Platz gegen Rentenreform und Steuererhöhungen protestierten, waren am Sonntagabend schnell von gewalttätigen Autonomen vertrieben worden.

Nun ist wieder Zahltag für die Griechen: Drei Prozent der Wirtschaftsleistung oder 5,4 Milliarden Euro muss die Regierung zusammenraffen – so sieht es der dritte Rettungskredit vor, den Tsipras im Sommer 2015 unterschrieb. Zwei Prozent hat die Regierung jetzt geschafft: Die 153 Abgeordneten der linksgerichteten Syriza und des kleinen rechten Koalitionspartners Anel (Unabhängige Griechen) nahmen Gesetze über die Neufassung der Einkommensteuer und der Rentenversicherung an.

Das dritte Prozent der finanziell wirksamen Maßnahmen – diverse Steuer- und Abgabenerhöhungen – ist mit den Gläubigern schon abgesprochen und soll in Kürze ebenfalls durchs Parlament beschlossen werden. „Wir sind entschlossen, Griechenland um jeden Preis wieder auf seine zwei Beine zu bringen“, bekräftigte Tsipras in der aggressiv geführten Parlamentsdebatte. Ganz Ähnliches hatte seinerzeit auch Tsipras’ konservativer Vorgänger Antonis Samaras von der Rednertribüne verkündet.

Steuern und Abgaben steigen

Die Einkommensteuer wird jetzt erhöht und vereinheitlicht, die Steuerbasis wird dabei auf Drängen des IWF breiter. Alle jetzt beschlossenen Änderungen gelten rückwirkend ab 1. Januar. So sinkt der Steuerfreibetrag deutlich von bisher 9.545 Euro auf 8.636 Euro Jahreseinkommen. Und gut verdienende Griechen mit 70.000 Euro zu versteuerndem Einkommen zahlen nun zum Beispiel etwa 1.200 Euro mehr an Steuern.

Angestellte mit mittleren Einkommen zwischen 28.000 und 43.000 Euro hat die Regierung allerdings entlastet: Sie zahlen zwischen 20 und 500 Euro weniger, je nach Gehalt und Anzahl der Kinder. Auch Freiberufler mit kleinen Einkommen werden begünstigt. Zusätzlich zur normalen Einkommensteuer wird aber noch eine „Solidaritätsabgabe“ fällig. Sie steigt bei mittleren und hohen Einkommen auf fünf bis neun Prozent.

Selbständige und Freiberufler mit kleinem Einkommen werden geschont

Der zwölfte Eingriff in das Rentensystem seit Beginn der Finanzkrise 2010 ist der größte: Die Linke führt einen generellen Beitragssatz von 20 Prozent ein, der für alle Arbeitnehmer und Selbstständigen gilt. Freiberufler führten bisher unabhängig von ihrem Einkommen Rentenbeiträge um die 4000 Euro im Jahr in die Fonds ihrer Berufssparten ab. Der nun für alle gültige Satz begünstigt Freiberufler und Landwirte mit kleinem Einkommen, ist aber erheblich teurer für besser verdienende Selbstständige.

Renten sinken, Essen und Freizeit werden teurer

Renten über 1170 Euro werden wieder gekürzt, Altersbezüge insgesamt auf 2000 Euro (bisher 2300 Euro) monatlich und auf 3000 Euro für Bezieher mehrerer Renten gedeckelt. Beihilfen für kleine Rentner werden von der linken Regierung gestrichen, dafür wird aber ein Mindestaltersgeld von 348 Euro nach 20 Beitragsjahren eingeführt.

Lebensmittel und Restaurantbesuche werden in Griechenland ab 1. Juli erneut teurer. Die Mehrwertsteuer wird nach 2015 nochmals um einen Punkt auf 24 Prozent erhöht. Sonderregeln für Tabak und Alkohol entfallen. Ab dem nächsten Jahr sollen auch elektronische Zigaretten besteuert werden. Und auch bei Kraftstoff, Autoversicherungen, Spielen, Mobiltelefonen, Kabel-TV, Dividenden und Grundbesitz dreht die Regierung an der Steuerschraube.

Öffentlicher Dienst und Militär müssen sparen

Im öffentlichen Dienst gibt es eine Nullrunde, und Tsipras’ Koalitionspartner, Verteidigungsminister Panos Kammenos, muss Kürzungen von 400 Millionen Euro in seinem Etat für 2016 schlucken.

Als besonders problematisch für das Investitionsklima gilt die erneute Anhebung der Steuern für kleine und mittlere Unternehmen. 2014 war sie auf 26 Prozent erhöht worden, nun steigt sie weiter auf 29 Prozent. Tsipras versprach in seiner Rede im Parlament dafür Unternehmen mit Großinvestitionen über 20 Millionen Euro zwölf Jahre stabile Steuern – etwas, wovon die griechische Wirtschaft bisher nur träumen konnte.

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