Neue Ministerpräsidentin in Polen: Ewa Kopacz - Landesmutter ohne Visionen
Ewa Kopacz ist neue Ministerpräsidentin Polens. Das Format ihres Vorgängers hat sie nicht, lautet die Kritik. Viele halten sie nur für eine Marionette von Donald Tusk.
Noch hat Ewa Kopacz Mühe, wie die Ministerpräsidentin eines großen EU-Mitglieds aufzutreten. Dies zeigte sich nach etwas unbedarften Auftritten in den vergangenen Tagen auch am Montag bei der Vereidigung des neuen Kabinetts. Seinen Beitrag dazu leistete auch Staatspräsident Bronislaw Komorowski, dem ebenfalls vor allem etwas Gemütliches anhaftet. Dabei darf indes nicht vergessen werden, dass sowohl Kopacz wie Komorowski knallharte Machtpolitiker sind und dies zumindest vor dem heimischen Publikum immer wieder gezeigt haben. Bei ihrer Vereidigung gab Kopacz die gute Landesmutter. „Herr Präsident, das wird eine gute und fleißige Regierung“, sagte die 57-Jährige. „Ich garantiere ihnen harte und solide tägliche Arbeit, Verantwortung und die Sorge um jeden einzelnen Polen.“
Komorowski sagte während der Vereidigungszeremonie im Warschauer Präsidentenpalast: „Die Herausforderung, vor der die Regierung von Ewa Kopacz steht, ist sehr ernst und schwierig.“ Er erinnerte an die drei bevorstehenden Wahlkämpfe. Im November stehen Lokalwahlen an, 2015 Parlaments- und Präsidentenwahlen. Außerdem betonte das Staatsoberhaupt einmal mehr die Bedrohung, die von Polens östlichem Nachbar Russland ausgeht.
Die unter Kopacz’ Vorgänger Donald Tusk versuchte Annäherung an Moskau ist der alten historisch begründeten Angst der Polen vor dem russischen Imperialismus gewichen. „Es wird eine Zeit subjektiv empfundener Unstabilität und Sicherheitsdefizite östlich unserer Grenzen sein“, sagte Komorowski. Zwar trennen Polen vom Donbass mehr als 1200 Kilometer, doch die Lage in der Ukraine beunruhigt die Gesellschaft sehr. Kaum erneut vereidigt, erklärte Verteidigungsminister Tomasz Simoniak, Armee und Grenzschutz würden sich nun aktiv auf die Abwehr so genannter „grüner Männchen“ vorbereiten, russischer Soldaten ohne Hoheitsabzeichen, wie sie Putin bereits auf der Krim und im Donbass eingesetzt hat.
Die erwartete große Kabinettsumbildung beim Wechsel von Tusk, der als neuer EU-Ratspräsident bald nach Brüssel geht, blieb aus. Kopacz wechselte in enger Absprache mit ihrem Mentor Tusk und Staatspräsident Komorowski fünf Minister aus. Am umstrittensten ist die Ersetzung des beliebten und verdienten Außenministers Radoslaw Sikorski durch den in der Diplomatie unerfahrenen Grzegorz Schetyna, ein Schwergewicht in den Parteistrukturen der regierenden Bürgerplattform (PO), der früher Innenminister und auch schon Parlamentspräsident war. Neu besetzt wurden zudem das Innen-, Justiz-, Infrastruktur- und Administrationsministerium. Verteidigungsminister Simoniak wurde mit Verweis auf die Lage an den östlichen Grenzen zum Vizepremier befördert. Der Frauenanteil des neuen Kabinetts beträgt immerhin ein Drittel – sechs von 18 Ministerposten.
Stars suche man im Kabinett vergeblich, hieß es am Montag in einem Privatradio, doch vielleicht bleibe die Regierung nicht so farblos, wie sie im Moment aussehe. Eine Umfrage für die regierungskritische Tageszeitung „Rzeczpospolita“ zeigte, dass Kopacz weit weniger Vertrauensvorschuss genießt als Tusk zu Beginn seiner zweiten Amtszeit vor drei Jahren. Nur 31 Prozent der Polen bewerten die neue Regierung positiv, 37 Prozent negativ. Ein Drittel hat keine Meinung. Immerhin hat die PO die PiS beim monatlichen Wahlbarometer wieder überholt. Lag sie im Sommer noch bis zu zwölf Prozentpunkte zurück, führt sie nun mit 38 zu 32 Prozent.
Als größte Herausforderung für Kopacz dürfte sich der Zusammenhalt der Regierungspartei erweisen. Tusk hatte die PO dominiert. Sein Wechsel nach Brüssel schafft ein großes Machtvakuum. Noch ist nicht klar, ob seine loyalste Parteigenossin Kopacz dieses zu füllen vermag. Viele Polen vermuten, Tusk wolle die PO weiterhin von Brüssel aus lenken und Kopacz werde nur auf Anordnung Tusks Entscheidungen treffen. Doch Insider der Regierungspartei sagen der neuen Premierministerin trotz mangelnder politischer Vision großen Machtwillen nach. Kopacz selbst bleibt auf dem Boden. „Ich bin eine Frau, und Polen sollte sich wie eine vernünftige Mutter verhalten. Unsere Sicherheit, unser Land, unser Haus, unsere Kinder sind das Wichtigste“, sagte sie am Wochenende in einer Talkshow.