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EU-Kommission in Brüssel
© dpa

EU-Spitzenposten: Europas Regierungschefs entscheiden über Ashton-Nachfolge

Mann, Frau, Ost, West: Beim EU-Gipfel soll am Mittwoch die Nachfolge der Außenbeauftragten Ashton geklärt werden – doch es sind noch mehr Posten in Brüssel zu vergeben.

Es kommt einer Denksportaufgabe gleich, bei der politischer Parteienproporz, die Balance zwischen den EU-Staaten im Osten und im Westen sowie die Frauenquote eine Rolle spielen. Am Mittwoch wollen die Staats- und Regierungschefs der EU bei einem Abendessen in Brüssel die Nachfolgerin oder den Nachfolger der gegenwärtigen EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton benennen. Als eher unwahrscheinlich gilt hingegen, dass Kanzlerin Angela Merkel und Co. gleich ein ganzes Personalpaket mit den künftigen Brüsseler Top-Jobs präsentieren, das über die Ashton-Nachfolge hinausgeht. Für den Posten der EU-Außenbeauftragten gilt derzeit die italienische Chefdiplomatin Federica Mogherini als Favoritin. Aber die Benennung der Politikerin, die von Europas Sozialdemokraten und dem italienischen Regierungschef Matteo Renzi ins Rennen geschickt wird, ist noch keineswegs ausgemacht. Denn wie so häufig hängt in Brüssel alles mit allem zusammen.

Die Schwierigkeiten im Brüsseler Posten-Poker

Bei dem europäischen Personalkarussell geht es um drei Posten: das Amt des EU-Außenbeauftragten, des EU-Ratschefs, das gegenwärtig vom Belgier Herman Van Rompuy besetzt wird, und eines ständigen Euro-Gruppenchefs. Gegenwärtig geht der Niederländer Jeroen Dijsselbloem seiner Aufgabe als Euro-Gruppenchef gewissermaßen nur in Teilzeit nach: Tagsüber ist er Finanzminister in Den Haag; wenn er abends zu den Beratungen der Euro-Finanzminister nach Brüssel anreist, ist er Euro-Gruppenchef. Die Schwierigkeiten in dem Brüsseler Posten-Poker fangen damit an, dass noch nicht ausgemacht ist, ob die Funktion des Euro-Gruppenchefs aufgewertet werden soll und damit innerhalb eines personellen Gesamtpaketes eine größere Verfügungsmasse darstellt.

Ein wichtiges Element bei den Personal-Überlegungen in den EU-Hauptstädten steht unterdessen seit Wochen fest: Mit Jean-Claude Juncker, der zur konservativen Parteienfamilie der EVP gehört und der am Dienstag vom EU-Parlament zum Kommissionspräsidenten gewählt wurde, haben die CDU/CSU und ihre Schwesterparteien in der EU bereits ein wichtiges Amt in Brüssel besetzt. Kanzlerin Angela Merkel bevorzugt zudem dem Vernehmen nach den Posten des EU-Ratschefs gegenüber dem Amt des EU-Außenbeauftragten, wenn es darum geht, welche weiteren Posten die EVP in Brüssel beanspruchen darf. Nicht ausgeschlossen wird auch die Möglichkeit, dass die Liberalen – etwa in Gestalt des früheren estnischen Ministerpräsidenten Andrus Ansip – Zugriff auf das Amt des EU-Ratschefs bekommen.

Wer folgt auf Catherine Ashton?

In jedem Fall liegt der Ball für die Benennung einer Kandidatin oder eines Kandidaten für die Nachfolge der Britin Catherine Ashton als Europas oberster Diplomatin zunächst einmal bei den Sozialdemokraten – die übrigens auch beim EU-Ratschef das Feld nicht den Konservativen überlassen wollen. Zwischenzeitlich war auch die dänische Sozialdemokratin und Regierungschefin Helle Thorning-Schmidt für die Rompuy-Nachfolge im Gespräch.

Dass nun für das Amt der EU-Außenbeauftragten in diesen Tagen immer wieder der Name der Italienerin Federica Mogherini genannt wird, hat in der EU-Kommission, in vielen Mitgliedstaaten und im Europaparlament eine gewisse Unruhe hervorgerufen. Die 41-Jährige gilt eher als außenpolitisches Leichtgewicht, was angesichts der gegenwärtigen Krisen in der Ukraine und im Nahen Osten einige Bedenken unter den Experten ausgelöst hat. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, Elmar Brok (CDU), weist vorsorglich schon einmal darauf hin, dass Federica Mogherini für eine Benennung als Außenbeauftragte den Segen des EU-Parlaments braucht und sich einer Anhörung im Außenausschuss stellen muss. „Dabei werden die außenpolitische Erfahrung und die Durchsetzungsfähigkeit ein Kriterium sein“, kündigt Brok an.

Bedenken hat in Brüssel zudem das außenpolitische Programm der gegenwärtigen italienischen EU-Ratspräsidentschaft ausgelöst, das unter der Federführung des von Mogherini geleiteten Außenministeriums in Rom zu Stande gekommen ist. Darin ist zwar von einem Ausbau der strategischen Partnerschaft zwischen der EU und Russland die Rede, während man nach Hinweisen auf eine verstärkte Bindung zwischen Brüssel und Kiew vergeblich sucht. Als Außenbeauftragte könnte Mogherini die nötige Balance zwischen Moskau und Kiew in der Ukraine-Krise vermissen lassen, lautet die Befürchtung.

Polens Radoslaw Sikorski stößt in Frankreich und Italien auf Skepsis

Als möglicher Kandidat für die Ashton-Nachfolge ist in der Vergangenheit auch der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski genannt worden. Der Konservative Sikorski, der sich in der Heimat mit einer Abhöraffäre herumschlagen muss, stößt allerdings in Frankreich und Italien auf Skepsis – weil er sich anders als Mogherini dem Verdacht ausgesetzt sieht, in der Ukraine-Krise einen allzu harten Kurs gegenüber Russland zu verfolgen.

Beim Abendessen am Mittwoch wird auch Juncker als künftiger Kommissionschef dabei sein. Nach den EU-Verträgen hat er ein Wörtchen bei der Benennung der oder des EU-Außenbeauftragten mitzureden – das Amt des Außenbeauftragten ist schließlich Bestandteil der EU-Kommission. Und bevor diese Personalie nicht feststeht, kann Juncker gemeinsam mit den EU-Hauptstädten in den kommenden Monaten die Aufgabengebiete der übrigen Kommissare nicht festlegen. Daher gilt die Klärung der Frage, wer Catherine Ashton nachfolgt, auch als vorrangig. Die Benennung des Rompuy-Nachfolgers kann hingegen warten; die Amtszeit des Belgiers läuft erst Ende November ab.

Juncker hat bereits signalisiert, dass er in der künftigen Kommission die Frauenquote erhöhen will – vier von zehn Kommissaren sollen in dem 28-köpfigen Gremium Frauen sein. Damit könnte auf dem Posten der Außenbeauftragten auch die Bulgarin Kristalina Georgieva, die derzeit Kommissarin für humanitäre Hilfe ist, möglicherweise zum Zuge kommen. Zudem wird in Frankreich auch der Name der früheren Justizministerin Elisabeth Guigou als Europas künftige Chefdiplomatin genannt. Gegen diese Variante spricht allerdings, dass Frankreichs Ex-Finanzminister Pierre Moscovici in der Juncker-Kommission ein Wirtschaftsressort im Auge hat

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