Möglicher Zusammenschluss im EU-Parlament: Europas rechte Parteien planen den großen Wurf
In Warschau wollen sich rechts-nationalistische Parteien Europas zu einer Bewegung zusammenschließen – doch so einig sind die Protagonisten nicht.
Warschau ist dieser Tage der Laufsteg der Nationalisten Europas. Die Führer mehrerer rechter Parteien wollen sich dort am Samstag zu einer gemeinsamen Bewegung zusammenschließen. Die Liste der Teilnehmer des Treffens, das am Freitag begann, liest sich wie das Who-is-Who des europäischen Rechtspopulismus: neben Gastgeber Jaroslaw Kaczynski noch Marine Le Pen, Matteo Salvini oder auch Victor Orban.
Es ist nicht der erste Anlauf, die Kräfte zu bündeln. Der Dresdner Politikwissenschaftler Hans Vorländer ruft allerdings in Erinnerung: „Bisherige Versuche der sehr rechten und extrem-rechten Parteien, eine Fraktion im Europaparlament zu bilden, sind allesamt gescheitert.“ Seine Erklärung: „Der Grund dafür ist, dass es einfach zu große inhaltliche und personelle Probleme zwischen den verschiedenen Gruppierungen gibt.“
Doch dieses Mal wurde das Feld gründlich vorbereitet. Bereits vor Monaten unterzeichneten insgesamt 16 rechte Parteien im Europaparlament eine gemeinsame Erklärung. Bei dem geplanten Bündnis handle es sich um den „ersten Stein“ für den Aufbau einer Allianz, um „Europa zu reformieren“, heißt es in dem Papier. Der Zusammenschluss sei die „Grundlage einer gemeinsamen kulturellen und politischen Arbeit“, erklärte die französische Rechtspopulistin Le Pen. Der Italiener Salvini von der fremdenfeindlichen Lega nannte die Vereinbarung sogar eine „Werte-Charta“, auf deren Grundlage ein Europa, „basierend auf Freiheit und Identität statt auf Bürokratie und Standardisierung“ aufgebaut werden solle.
Doch selbst in den Reihen der Rechten ist die Hoffnung gering, dass dieses Mal der große Sprung gelingen könnte. „Ich glaube nicht, dass es kurzfristig zu einer einzigen großen rechten Fraktion kommt“, sagt Jörg Meuthen, der für die AfD im Europaparlament sitzt. „Auch Marine Le Pen und andere Protagonisten sehen diesen Zusammenschluss auf kurze Sicht noch nicht als realistisch an.“ Allerdings scheint seine Einschätzung nicht ganz ungetrübt von einem gewissen Gram über seine Kollegen. Denn als Meuthen 2017 ins Europaparlament wechselte, wollte er selbst eine rechte Fraktion schmieden, ist aber gescheitert.
Das mag auch daran liegen, dass die AfD im Reigen der europäischen Rechten eher ein Außenseiter ist. Sie gilt vielen als zu unberechenbar und zu unprofessionell. So hat die AfD die gemeinsame Erklärung der europäischen Rechten nicht unterzeichnet und ist nicht zum Treffen nach Warschau gebeten worden.
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Auch Meuthen räumt gewisse Probleme ein. „Das Zusammenspiel der rechten Parteien im Europaparlament ist sehr komplex“, sagt der Noch-AfD-Bundesvorsitzende. „Die Polen haben gewisse Vorbehalte gegen die AfD, weil in unseren Reihen in der Vergangenheit zu viele Dinge – etwa über den Zweiten Weltkrieg – gesagt wurden, die in Warschau zurecht nicht gerne gehört wurden. Auch die Nähe mancher Protagonisten der AfD zu Russland wird in Polen kritisch gesehen.“ Ganz aufgeben will er die Hoffnung allerdings nicht. „Wenn es trotz aller Schwierigkeiten und Probleme dennoch eine große rechte Fraktion im Europaparlament geben sollte, wird die AfD sicherlich dabei sein“, erklärt Meuthen.
Auch sein ehemaliger politischer Wegbegleiter und jetzige Europaabgeordnete Lars Patrick Berg glaubt nicht an den großen Wurf. Natürlich sei es wichtig, die Kräfte zu bündeln, sagt der Mann, der die AfD wegen derer politischen Drift nach ganz Rechtsaußen verlassen hat. Inzwischen engagiert er sich in der Kleinstpartei LKR von Bernd Lucke, dem einst geschassten Gründer der AfD. Berg hält eine „rechte Superfraktion“ im Europaparlament für unwahrscheinlich, „denn in inhaltlichen Fragen liegen zwischen einzelnen Delegationen teilweise Welten“.
Selbst das leitende Personal glaubt nicht wirklich an das Projekt
Politikwissenschaftler Vorländer sieht nicht nur inhaltliche Differenzen. „Ein Grund, dass eine solche Fraktion nicht zustande kommt, ist sicher auch das sehr große Ego der einzelnen Protagonisten. Jeder von ihnen fühlt sich befähigt und berufen, der Führer einer geeinten Rechten in Europa zu sein.“ Er glaubt nicht, dass ein Mann wie der Ungar Orban etwa zugunsten von Le Pen zurückstecken würde.
Wenn selbst das leitende Personal nicht wirklich an das Projekt einer geeinten europäischen Rechten glauben, stellt sich die Frage, warum immer wieder Versuche in diese Richtung unternommen werden. „Bei dem angestrebten Zusammenschluss geht es vor allem um die Symbolik“, sagt Vorländer. „Es soll gezeigt werden, dass es eine starke und geeinte rechte Kraft in der EU gibt. Gleichzeitig soll damit natürlich auch ein politischer Führungsanspruch in Europa reklamiert werden.“
Bei den anderen Parteien im Europaparlament erntet die rechts-nationalistische Konkurrenz allerdings nur Kopfschütteln. „Die Bemühungen gibt es seit vielen Jahren“, sagt Daniel Caspary, CDU-Abgeordneter im Europaparlament. „Das einzige, was die genannten Parteien eint, ist ihre sehr negative Haltung zur EU und ihre rechtspopulistische bis rechtsextreme Gesinnung.“ Eine solide Basis für eine Zusammenarbeit sei das aber sicher nicht.
Knut Krohn