Kanzlerin Merkel über Corona-Krise: „Europäische Union steht vor ihrer größten Bewährungsprobe“
Die Bundeskanzlerin beschwört den Zusammenhalt der EU in der Corona-Krise. Ein konkretes Datum für das Ende der Maßnahmen in Deutschland nennt sie nicht.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat dazu aufgerufen, die Europäische Union in der Corona-Krise entschlossen zu verteidigen. Die Union stehe vor der größten Bewährungsprobe seit ihrer Gründung, sagte die Kanzlerin am Montag in Berlin. Die Pandemie sei ein „symmetrischer Schock“, der alle Staaten gleichermaßen betreffe.
Es sei das Interesse aller EU-Staaten, auch Deutschlands, dass Europa stark aus dieser Bewährungsprobe hervorgehe. „Auch Deutschland wird es auf Dauer nur gut gehen, wenn es Europa gut geht“, sagte sie. Die Antwort auf die Corona-Krise könne nur sein: ein stärkeres Europa und mehr Europa.
Vor allem die Euro-Staaten seien nun besonders betroffen. "Wir erleben jetzt, wie sehr unsere Wirtschaften verflochten sind", sagte die Kanzlerin. Die Euro-Gruppe werde nun Vorschläge vorlegen, wie der Krise zu begegnen sei. Dabei gehe es um finanzielle Hilfen an die Mitgliedsländer in der akuten Krise und auch ein Belebungsprogramm für die Wirtschaft. Eine Möglichkeit sei, dass die Kommission Darlehen an Länder vergibt, damit diese Kurzarbeitergeld bezahlen können. "Mit diesem Instrument haben wir in Deutschland gute Erfahrungen gemacht", sagte Merkel.
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Auflagen müssen schrittweise gelockert werden
Die Kanzlerin dankte den deutschen Bürgerinnen und Bürgern für die weitgehende Einhaltung der Auflagen zur Eindämmung des Coronavirus. „Für dieses Verständnis, das es gibt, möchte ich mich bedanken, denn die Regeln werden ja doch von der überwiegenden Mehrzahl der Menschen eingehalten“, sagte die CDU-Politikerin am Montag bei ihrem ersten öffentlichen Auftritt nach dem Ende ihrer eigenen häuslichen Quarantäne. Merkel hatte sich zuhause isoliert, nachdem sie Kontakt mit einem Arzt hatte, der positiv auf das Coronavirus getestet worden war.
Die Einhaltung dieser „sehr, sehr harten Regeln“ gerade auch beim aktuellen schönen Wetter leiste einen Beitrag, um Menschenleben zu retten und Pflegepersonal das Leben zu erleichtern, sagte Merkel.
Zu früh, um ein Datum für Exit zu nennen
Die Auflagen müssten schrittweise gelockert werden, stellte sie in Aussicht. Es sei aber noch zu früh, um ein Datum zu nennen. Der Gesundheitsschutz stehe im Vordergrund. Es gebe zwar den Wunsch nach einer Lockerung, aber die Diskussion würde sich in ihr Gegenteil verkehren, wenn Menschen wegen einer Überlastung des Gesundheitssystems stürben. Am schlimmsten wäre, eine Lockerung anzuordnen und sie dann wieder zurücknehmen zu müssen, wenn es wieder mehr Tote gebe.
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Bei der Versorgung des medizinischen Personals mit Schutzausrüstung dringt die Kanzlerin auf den Aufbau einer deutschen oder europäischen Produktion. „Es ist wichtig, dass wir als eine Erfahrung aus dieser Pandemie lernen, dass wir hier auch eine gewisse Souveränität brauchen oder zumindest eine Säule der Eigenfertigung“, sagte sie. „Das kann in Deutschland sein. Wir werden es aber auch versuchen, europaweit abzustimmen. Auf jeden Fall brauchen wir hier Fähigkeiten.“ Masken und andere Schutzausrüstung wie Anzüge sind derzeit weltweit knapp.
Wirtschaftsministerium richtet eigenen Stab ein
Merkel machte deutlich, dass auch der Nachschub besser werden müsse. Man sei bei der Versorgung mit Schutzmasken vorangekommen, aber noch nicht im wünschenswerten Umfang. „Wir müssen hart arbeiten, damit Krankenhäuser, Ärzte, Pflegeeinrichtungen, Behinderteneinrichtungen, damit das Personal dort wirklich ausreichend und auch nicht von Tag zu Tag lebend mit den entsprechenden Schutzgütern ausgestattet ist.“ Merkel sagte, im Bundeswirtschaftsministerium werde ein eigener Stab eingerichtet.
Auf eine Frage nach der Nützlichkeit von Masken für die Bevölkerung verwies Merkel auf Experten, deren Meinung sich inzwischen zum Positiven wandle. Wichtig sei aber der richtige Umgang mit Stoffmasken: „Unsachgemäßer Umgang wäre noch fataler“, sagte sie - also regelmäßiges Waschen, eine nicht zu lange Tragezeit, heißes Bügeln oder die Erwärmung im Backofen oder der Mikrowelle.
„Dabei nie die Abstandsregeln vergessen“, warnte sie. „Die Pflege dieser Masken ist dann auch ganz, ganz wichtig.“ Es könne sein, dass auch die Regierung für das Tragen werben werde, so weit sei es aber noch nicht. (Tsp, dpa)