Casdorffs Agenda: Europa im Herzen
Bloß keine Vision, scheint die Devise von Bundeskanzlerin Merkel zu sein. Dann könnte sie das Thema Europa doch einem überlassen, der dafür brennt. Ein Kommentar.
Wenn doch nur einer da wäre, der Europa im Herzen trüge. Denn wer die Bundeskanzlerin in der Haushaltsdebatte gehört hat, der weiß: Sie ist es nicht. Das Abarbeiten der Tagesordnung ist zwar auch Politik, aber kleine. Und es erinnert immer mehr an Merkels Spruch von der schwäbischen Hausfrau als an den internationalen Anspruch an sie als vermeintlicher Anführerin der westlichen Welt.
Bloß keine Vision, sagt die Kanzlerin mit jedem Wort, das sie zur Mission Europa nicht sagt. Dabei ist Europa unser Schicksal, wusste Merkels Vorfahr Helmut Kohl besser. Und das bleibt, ohne Übertreibung, angesichts der aktuellen Sicherheitslage eine Frage von Krieg und Frieden. Die wachsende Konfrontation mit Russland, die krisenhafte Lage in Nahost – da dürfte Merkel mit der Antwort auf Emmanuel Macron nicht bis Ende Juni warten.
Wenn es doch nur einen gäbe… Halt! Es gibt ihn: Martin Schulz. Der hat dieser Regierung das Thema Europa mit Herzblut in den Koalitionsvertrag hineingeschrieben, und das sollte ihr, der Koalition wie Merkel, etwas wert sein. Der Ex-SPD-Chef, lange Europas Parlamentspräsident, könnte doch zurückkehren nach Brüssel: Schulz wäre der ideale EU-Außenbeauftragte und damit auch so eine Art (verspäteter) Außenminister für Deutschland.
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