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Äußeres Zeichen der neuen Europabegeisterung: Die Pulse-of-Europe-Demonstrationen, hier eine Teilnehmerin 2017 in Berlin.
© Foto: Jörg Carstensen/dpa
Update

Eurobarometer: Europa bei den Bürgern so beliebt wie nie

Vor gut zwei Jahren war die Zustimmung zur Europäischen Union im Keller. Nun sieht das ganz anders aus. In Italien glauben allerdings verhältnismäßig wenige Bürger an das Gewicht der eigenen Stimme in der EU.

Ein Jahr vor der richtungsweisenden Europawahl hat die Zustimmung der Bürger zur Europäischen Union einer Umfrage zufolge ein Rekordhoch erreicht. Mehr als zwei Drittel der EU-Bürger und 75 Prozent der Deutschen sind demnach der Ansicht, dass ihr Land von der EU-Mitgliedschaft profitiert. Das geht aus dem „Eurobarometer“ hervor, das am Mittwoch in Brüssel veröffentlicht wurde. Das ist demnach der höchste Wert in Europa seit 1983. Zu diesem Zeitpunkt hatte die EU (damals EG - Europäische Gemeinschaft) noch deutlich weniger Mitgliedstaaten.

Tajani geht von Zuwachs der EU-Skeptiker im Europaparlament aus

EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani erklärte am Mittwoch in Brüssel, dass den kommenden Europawahlen eine entscheidende Bedeutung zukomme. Bei den Wahlen, die zwischen dem 23. und dem 26. Mai 2019 stattfinden, gehe es nicht nur um eine Auseinandersetzung zwischen den traditionellen Parteien, sondern auch zwischen pro- und anti-europäischen Kräften. Auf die Frage, ob voraussichtlich mehr EU-Skeptiker im künftigen Europaparlament vertreten sein würden, antwortete Tajani: "Wahrscheinlich ja."

In Tajanis Heimatland Italien, wo sich eine Regierungskoalition der Populisten der Lega und der Fünf-Sterne-Bewegung anbahnt, stimmten nur 30 Prozent der Befragten der Aussage zu, dass ihre Stimme in der EU zähle. Dieser Wert liegt unter dem Durchschnitt der 28 EU-Staaten (48 Prozent). Selbst in Großbritannien, das im März des kommenden Jahres aus der EU austritt und dessen Bürger bei der nächsten Europawahl nicht mehr dabei sind, ist das Vertrauen in den eigenen Einfluss in der Europäischen Union größer: Auf der Insel erklärten 35 Prozent der Befragten, dass die eigene Stimme in der EU zähle. In Deutschland gaben überdurchschnittlich viele Befragte an, dass die eigenen Stimme Gewicht habe - nämlich 72 Prozent.

Der Umfrage zufolge übersteigt zudem die Zahl derer, die davon überzeugt sind, dass ihre Stimme in der EU etwas zählt, die Zahl der Skeptiker (46 Prozent). Diese Entwicklung begann demnach in der zweiten Jahreshälfte 2016, nach dem Votum der Briten, aus der EU auszutreten. Dies habe zu einem „Weckruf“ innerhalb der EU geführt, heißt es in der Umfrage. In Deutschland sind sogar 72 Prozent der Befragten der Meinung, dass ihr Wort in Europa Gewicht hat.

Tajani erklärte, er sei mit der politischen Entwicklung und den Ergebnissen der Eurobarometer-Befragung in seinem Heimatland nicht zufrieden. Man müsse allerdings auch berücksichtigen, dass Italien in der Flüchtlingskrise ähnlich wie Griechenland, Malta und Spanien zu wenig Solidarität seitens der EU-Partner erfahren habe. "Das europäische Engagement ist zu spät angekommen", sagte Tajani. Entscheidend für das schlechte Image der EU in Italien sei auch die schleppende wirtschaftliche Entwicklung in dem europäischen Gründungsstaat, sagte der EU-Parlamentspräsident weiter. Spanien habe nach der Finanzkrise ein stärkeres Wachstum verzeichnet als Italien. Seine Landsleute sähen die Verantwortung dafür bei der EU, was "zur Hälfte wahr" sei, so Tajani.

Zu Beginn der Euro-Finanzkrise im Jahr 2010 lag europaweit die Zustimmung zur Europäischen Union EU-weit noch deutlich niedriger als bei der aktuellen Befragung, die im vergangenen April mit 27.601 Teilnehmern aus allen 28 EU-Mitgliedstaaten durchgeführt wurde. Im Jahr 2010 waren noch 53 Prozent der Menschen der Meinung, dass die EU-Mitgliedschaft ihres Landes vorteilhaft sei. Auch während der Flüchtlingskrise 2015 und 2016 war die Zustimmung zur EU im Vergleich niedriger.

Mit Blick auf die politische Gesamtentwicklung in Europa überwiegt allerdings nach wie vor Skepsis. 32 Prozent der Befragten sind demnach davon überzeugt, dass sich die Dinge in die richtige Richtung entwickeln (Deutschland: 38 Prozent). Im Vergleich zu den Vorjahren zeichnet sich allerdings auch hier ein leichter Aufwärtstrend ab.

Ein weiteres Ergebnis des Barometers: Der sogenannte Spitzenkandidaten-Prozess, bei dem der siegreiche Kandidat aus einer europäischen Parteienfamilie nach der Europawahl zum EU-Kommissionspräsidenten ernannt wird, gilt in den Augen fast der Hälfte der Befragten als positive Entwicklung für die europäische Demokratie. 49 Prozent erklärten, dass das Spitzenkandidaten-Verfahren einen Anreiz darstelle, an der Europawahl teilzunehmen. 70 Prozent äußerten die Überzeugung, dass die Spitzenkandidaten-Prozedur nur dann sinnvoll sei, wenn sie auch von einer echten Debatte über europäische Zukunftsthemen begleitet werde. (mit dpa)

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