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Für einen SPD-Genossen oder eine Genossin heißt es 2019: Tschüss, Berlin - Hallo, Europa!
© Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Wahl des Europaparlaments 2019: Wer geht für die Berliner SPD nach Straßburg?

Sylvia-Yvonne Kaufmann verlässt 2019 das EU-Parlament. In der SPD drängeln sich die Bewerber. Der prominenteste: Ex-Kulturstaatssekretär Tim Renner

Es dauert noch ein gutes Jahr, bis das Europaparlament neu gewählt wird – wahrscheinlich am 26. Mai 2019. Doch bei den Berliner Sozialdemokraten drängeln sich schon jetzt die Bewerber für den interessanten Job in Straßburg. Neun Genossinnen und Genossen sind im SPD-Landesverband im Gespräch für ein Parlamentsmandat, nominiert wird am 1. Juni auf einem Landesparteitag. Der Platz wird frei, weil die sozialdemokratische Europaabgeordnete Sylvia-Yvonne Kaufmann nicht mehr zur Verfügung steht. Das hat sie ihrem SPD-Kreisverband Lichtenberg intern mitgeteilt.

Kaufmann saß von 1991 bis 2009 für die PDS (heute: Linke) im EU-Parlament und wechselte dann das Parteibuch. Ihr sei es nicht gelungen, so begründete die Japanologin mit DDR-Biografie damals ihren Schritt, der PDS ein „pro-europäisches Profil“ zu verleihen. 2014 wurde sie von der Berliner SPD noch einmal für Europa nominiert, aber im nächsten Jahr will die 63-jährige Expertin für europäische Grundrechte, die zeitweise Vize-Präsidentin des EU-Parlaments war, in den politischen Ruhestand gehen.

Wer könnte Kaufmann beerben?

Vielleicht Gabriele Bischoff, die Chefeuropäerin des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Im DGB-Bundesvorstand leitete sie bis 2014 die Fachabteilung Europapolitik und ist jetzt Präsidentin der Arbeitnehmergruppe im Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA), dem sie seit fast zehn Jahren angehört.

Gabriele Bischoff
Gabriele Bischoff
© T. Hoesmann/Wikipedia

Vorher sammelte die Politologin berufliche Erfahrungen als Sozialreferentin in Brüssel und im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, wo sie 2007 die deutsche EU-Ratspräsidentschaft mitorganisierte. „Eine sehr kompetente Gewerkschafterin“, lobt der SPD-Kreischef in Pankow, Knut Lambertin, die Genossin, die parteipolitisch nie in Erscheinung trat. Auch Lambertin kennt sie nur aus der Arbeit im Bundesvorstand des DGB, wo er für die Gesundheitspolitik zuständig ist.

Gabriele Bischoff hat sich noch nicht offiziell beworben, sie braucht offenbar noch Bedenkzeit. Anders sieht es bei der Berliner Landesvorsitzenden der Jungsozialisten, Annika Klose aus. Die 25-jährige Sozialwissenschaftlerin, die sich selbst als „Internationalistin und Feministin“ einordnet, hat ihre Kandidatur für das Europaparlament am Dienstag in der Berliner Parteizentrale angemeldet. Die SPD-Linke und Groko-Gegnerin spricht, das verbindet sie mit der potenziellen Konkurrentin Bischoff, gut Englisch und Französisch und fällt auf Parteitagen durch eine erfrischende Rhetorik auf.

Tim Renner
Tim Renner
© Thilo Rückeis TSP

Müller ist für weibliche Kandidatin

Der SPD-Landeschef Michael Müller, so hört man aus Parteikreisen, würde eine „starke Frau für Europa“ unterstützen. Wer auch immer damit gemeint sein könnte. Der Landesvorstand der Sozialdemokraten wird sich erst am 7. Mai mit der Bewerberlage befassen, ob es bis dahin bei neun Kandidaten bleibt, ist offen. Die meisten Interessenten sind wenig bekannt und in der Partei ist die anstehende Europa-Nominierung noch kein großes Thema. Neben Klose hat bisher nur der ehemalige SPD-Abgeordnete Markus Pauzenberger seine Kandidatur angemeldet. Er hatte bis 2014 das Büro der legendären Berliner EU-Abgeordneten Dagmar Roth-Behrendt geleitet. Ein überzeugter Europäer, aber wohl chancenlos.

Auch Tim Renner kommt infrage

Bei den Männern, die für Straßburg antreten wollen, ist nur einer halbwegs prominent: Der ehemalige Musikproduzent und Journalist Tim Renner wurde Ende 2016 als Kultur-Staatssekretär in den Ruhestand versetzt und sucht seitdem nach einer neuen Aufgabe. Die Kandidatur für den Bundestag blieb im Herbst vergangenen Jahres erfolglos, weil seine Partei so schlecht abschnitt. Jetzt also Europa. Ob Renner, der wie die potenzielle Mitbewerberin Bischoff im SPD-Kreisverband Charlottenburg-Wilmersdorf organisiert ist, genügend Unterstützer findet, bezweifeln viele Genossen. Doch manche machen ihm Mut: „Der Tim ist einer, der sich nicht so schnell geschlagen gibt.“

Annika Klose
Annika Klose
© imago/Metodi Popow

Aber auch die anderen Bewerber wissen, dass die Nominierung der Landes-SPD am 1. Juni nur die erste Hürde ist, die überwunden werden muss. Denn die deutschen Sozialdemokraten treten bei der Europawahl mit einer Bundesliste an. Die scheidende EU-Abgeordnete Kaufmann wurde vor vier Jahren, mit freundlicher Unterstützung des damaligen Parteichefs Sigmar Gabriel, auf Platz 10 gesetzt. Das reichte dicke aus. Wo das Berliner Personal dieses Mal platziert wird, weiß noch keiner.

Neuer Landesvorstand

Am 2. Juni wählt die Berliner SPD einen neuen Landesvorstand. Die Wiederwahl des Parteichefs Müller gilt als sicher, auch die drei Stellvertreter Andreas Geisel (Innensenator), Mark Rackles (Bildungs-Staatssekretär) und Iris Spranger (Abgeordnete) kandidieren wieder. Die Vierte im Bunde, Ex-Staatssekretärin Barbara Loth, zieht sich aus der Führungsarbeit aus eigenem Entschluss zurück.

Für den vakanten Vize-Posten wird nun eine „jüngere weibliche Kandidatin“ gesucht. Rackles und Geisel müssen hingegen mit einem Gegenkandidaten rechnen. Der Amtsrichter Julian Zado, bis 2013 stellvertretender Juso-Bundeschef, will in die enge Parteispitze aufrücken. Der Kreisverband Mitte unterstützt seinen Vize-Chef, die mitgliederstarken Jusos hat er auch auf seiner Seite.

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