Junckers Investitionsprogramm: EU will Risiko für private Projekte übernehmen
Am Mittwoch will EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker sein 300-Milliarden-Investitionsprogramm für die EU präsentieren. Die EU-Mitgliedstaaten sollen dabei nicht für private Investitionen bürgen - dafür soll die EU das Hauptverlustrisiko übernehmen.
Schon im Sommer hatte Jean-Claude Juncker angekündigt, er werde als EU-Kommissionspräsident ein 300-Milliarden-Euro-Investitionsprogramm auflegen, mit dessen Hilfe vor allem kriselnde Staaten wie Spanien, Frankreich oder Griechenland wieder auf die Beine kommen sollen. Allmählich nimmt das Milliardenpaket, das Juncker am kommenden Mittwoch im Europaparlament vorstellen will, Konturen an. Dabei zeichnet sich ab, dass der größte Teil des Pakets von privater Seite finanziert werden soll. Das entspricht dem Wunsch der Bundesregierung, neue Investitionsprojekte auf europäischer Ebene - etwa beim Ausbau der Breitbandnetze - möglichst mit privaten Mitteln zu finanzieren.
Ganz im Sinne der Bundesregierung dürfte auch der Hinweis aus Brüssel sein, dass Junckers 300-Milliarden-Programm "Invest in Europe" nicht zu einer zusätzlichen Belastung des Bundeshaushaltes führen soll. "Die EU-Mitgliedstaaten sollen nicht dazu verpflichtet werden, für die Investitionen von privater Seite zu bürgen", sagte ein EU-Diplomat, der mit dem Investitionsprogramm vertraut ist, dem Tagesspiegel. Andererseits seien zusätzliche Investitionen, wie sie Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble für die Zeit nach 2016 in Höhe von zehn Milliarden Euro angekündigt hatte, natürlich willkommen.
Investitionen der Privatwirtschaft sollen Junckers Plan zufolge über EU-Mittel abgesichert werden. Nach einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" soll die EU das Hauptverlustrisiko neuer Projekte übernehmen. Wenn ein Projekt scheitert, gehen dem Bericht zufolge zunächst der öffentlichen Hand die Gelder verloren.
Sozialdemokraten halten Milliardenprogramm für nicht ausreichend
Der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber, hält den Ansatz des 300-Milliarden-Programms für richtig. „Das Programm geht in die richtige Richtung“, sagte der CSU-Politiker dem Tagesspiegel. „Die Gelder müssen auch in den risikobehafteten Regionen in der EU ankommen“, sagte Weber weiter. Deshalb sei es richtig, wenn die von privater Hand geplanten Investitionen zum Teil durch EU-Mittel abgesichert würden. Nach seinen Worten habe die EVP stets gefordert, dass mit dem Milliardenpaket keine neuen Schulden aufgenommen werden dürften. Dieser Forderung habe Juncker Rechnung getragen, sagte Weber. Der SPD-Europaabgeordnete Jo Leinen bezeichnete das geplante Investitionsprogramm hingegen als nicht ausreichend. „Die Summe von 300 Milliarden Euro, verteilt auf drei Jahre und 28 Länder, wird versickern“, sagte er. Untersuchungen des DGB und der Unternehmensberatung Roland Berger hätten gezeigt, dass zur Wiederbelebung der Konjunktur in der EU bis 2020 eigentlich eine Summe von 1,5 bis zwei Billionen Euro notwendig sei. „Gemessen an der Krise ist das Investitionsprogramm nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, lautete Leinens Fazit.
Fraktionschef der Sozialdemokraten fordert mehr Nachsicht bei der Etatpolitik
Der Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten im Europaparlament, Gianni Pittella, forderte derweil einen großzügigeren Umgang mit kriselnden EU-Staaten mit Blick auf deren Haushaltsführung. „Öffentliche Mittel, die von den Mitgliedstaaten in dieses neue europäische Programm fließen, sollten bei der Berechnung des nationalen Haushaltsdefizits nicht berücksichtigt werden“, sagte der Italiener dem Tagesspiegel. Junckers Plan könne zu neuem Wachstum in Europa führen, "wenn er den Mitgliedstaaten einen neuen Ansatz für Flexibilität bietet".
Milliardenprogramm soll ohne neue Schulden auskommen
Wie ein EU-Diplomat dieser Zeitung sagte, sollen die öffentlichen Mittel, die aus dem EU-Haushalt und von der Europäischen Investitionsbank (EIB) kommen, mit der Hilfe privater Investoren "gehebelt" werden. Es sei nicht geplant, wegen des Milliarden-Investitionsprogramms neue Schulden zu machen. "Wir können nicht die Druckerpresse anschmeißen", sagte der Diplomat. Nach seinen Worten sollen mit dem Milliardenpaket vor allem Projekte finanziert werden, wie sie Juncker bereits in seinen politischen Leitlinien identifiziert hatte. Dies sind Projekte zum Ausbau der Energie-Infrastruktur, des schnellen Internet sowie Vorhaben im Bereich des Verkehrs, der Bildung sowie von Forschung und Entwicklung. Dabei gehe es nicht darum, beispielsweise weitere Flughäfen in Portugal zu errichten, sondern darum, Projekte zu identifizieren, die tatsächlich einen EU-weiten Mehrwert hätten. Die Entscheidungsfindung solle weniger politisch gesteuert werden; dafür sollten Vertreter der Privatwirtschaft, die am Ende die Projekte zu einem großen Teil auch finanziere, ein entscheidendes Wort bei der Auswahl der Projekte mitreden können.
Bundesregierung hat zwei Projekte in Brüssel notifiziert
Noch bis Mitte Dezember haben die EU-Mitgliedstaaten die Möglichkeit, geeignete Projekte bei einer Task Force aus EU-Kommission und EIB in Brüssel anzumelden. Dem Vernehmen nach hat die Bundesregierung bislang zwei Vorhaben in Brüssel notifiziert. Nach einem Bericht der spanischen Zeitung "El Pais" hat die Regierung in Madrid in den letzten Tagen eine lange Liste von möglichen Projekten nach Brüssel geschickt. Die potenziellen Projekte, die in den Jahren von 2015 bis 2017 verwirklicht werden könnten, hätten ein Volumen von insgesamt 51 Milliarden Euro, berichtete das Blatt.
Wie die gesamte Investitionssumme in Höhe von 300 Milliarden Euro im Juncker-Paket zwischen öffentlichen und privaten Mitteln aufgeschlüsselt werden soll, ist laut EU-Kreisen noch unklar. Erst am vergangenen Samstag hätten die Kabinettschefs der EU-Kommissare Kenntnis von der Struktur des Planes erhalten. Im ersten Schritt soll es nun in der kommenden Woche darum gehen, eine grundsätzliche Entscheidung unter den Kommissaren über das Hebelungs-Modell herbeizuführen. In einem zweiten Schritt sollen dann ab Mitte Dezember konkrete Projekte benannt werden.