„Wir wollen keine unbeteiligten Zuschauer sein“: EU will mit an den Verhandlungstisch von USA und Russland
Wladimir Putin und Joe Biden telefonieren wegen der Spannungen an der ukrainischen Grenze und Sicherheitsgarantieren. Die Europäer fühlen sich ausgeschlossen.
Der Jahreswechsel ist in Russland manchmal mehr als nur der Beginn des nächsten Kalenders – bisweilen markiert das Ende des Jahres den Anfang einer neuen Ära. Vor 30 Jahren wurde die Sowjetunion abgewickelt und der Kalte Krieg war Geschichte. Vor 22 Jahren übernahm Wladimir Putin das Präsidentenamt.
Und diesmal konnte sich der Kremlchef auf der Höhe seiner geopolitischen Macht wähnen. In der Nacht zu Silvester telefonierte er mit US-Präsident Joe Biden wegen der Spannungen an der ukrainischen Grenze und den Sicherheitsgarantien, die Putin vom Westen fordert. Es war das zweite Telefonat beider Staatschefs binnen eines Monats.
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Am 9. und 10. Januar wollen russische Diplomaten mit Amerikanern in Genf beraten, anschließend mit Vertretern der Nato und der OSZE.
„Wir wollen keine unbeteiligten Zuschauer sein“
Der Draht nach Washington dürfte ganz nach Putins Geschmack sein. Der russische Präsident, für den der Zusammenbruch der Sowjetunion „die größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts“ ist, pflegt eine bilaterale Weltsicht, wie sie vor Jahrzehnten üblich war. Um so mehr muss ihn gekränkt haben, dass Ex-Präsident Barack Obama das größte Land der Erde dereinst zur „Regionalmacht“ degradierte.
Heute aber sieht sich Putin auf Augenhöhe mit dem US-Präsidenten, Moskau und Washington verhandeln über die Geschicke der Welt. Europa bleibt außen vor, mit der EU will Putin nie viel zu tun haben.
In Brüssel wird das erwartbar anders gesehen, schließlich entfaltet sich der Konflikt auf dem Kontinent, wo russische Truppen an der Grenze zur Ukraine stehen. „Wir wollen keine unbeteiligten Zuschauer sein, über deren Köpfe hinweg entschieden wird“, erklärte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell vor dem Telefonat der „Welt“.
EU will mit an den Verhandlungstisch
Der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber (CSU), sagte der Funke-Mediengruppe: „Die EU muss bei Gesprächen zur künftigen Sicherheitsarchitektur Europas als Mit-Hauptbetroffene am Tisch sitzen“. Dafür sei „Geschlossenheit der EU-Staaten und genauso eine außen- und sicherheitspolitische Emanzipation der EU notwendig“.
Das Weiße Haus ließ verlautbaren, die US-Regierung stehe in Bezug auf die Gespräche mit Moskau im engen Austausch mit Verbündeten und Partnern in Europa. Nichts, was sie betreffe, werde ohne sie beschlossen, hieß es.
Die Telefon-Diplomatie aber läuft bilateral. Im jüngsten Gespräch warnte Biden, die USA und ihre Verbündeten würden im Falle eines Einmarschs in die Ukraine „entschlossen antworten“. Der US-Präsident hatte Putin bereits zuvor mit Sanktionen gedroht, „wie er sie noch nie gesehen hat“.
Gespräch mit Selenskyj
Der Kremlchef warnte vor schwerwiegenden Sanktionen. Sie wären ein „kolossaler Fehler“, wie Putins außenpolitischer Berater Juri Uschakow nach dem 50-minütigen Telefonat sagte. Putin sei „zufrieden“ mit dem Gespräch.
Das Weiße Haus kündigte für Sonntag ein Gespräch Bidens mit dem Präsidenten der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, an. Biden werde dabei „die Unterstützung der USA für die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine bekräftigen“, hieß es.
Er freue sich auf das Gespräch, erklärte Selenskyj seinerseits auf Twitter. An den Beratungen in Genf ist auch er nicht dabei. Putin verhandelt am liebsten wie zu Zeiten des Kalten Krieges.