Sondertreffen der Innenminister: EU will Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine vereinfachen
Hunderttausende Menschen fliehen vor dem Krieg aus der Ukraine, die EU rechnet sogar mit Millionen. Sie will ihnen unbürokratisch Schutz gewähren.
Die EU will ein unbürokratisches Verfahren zur Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine schaffen. Nach einem Sondertreffen der EU-Innenminister sprach sich die zuständige EU-Kommissarin Ylva Johansson am Sonntagabend dafür aus, eine entsprechende EU-Richtlinie aus dem Jahr 2001 zu aktivieren.
Gemeint ist die sogenannte Massenzustrom-Richtlinie, die Kriegsflüchtlingen ohne ein aufwendiges Asylverfahren Schutz in der EU garantiert. Unterstützung findet die Aktivierung dieser Richtlinie auch beim Vorsitzenden des EU-Innenminister-Rates, dem französischen Ressortchef Gérald Darmanin.
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Darmanin kündigte an, das Thema auf die Tagesordnung des nächsten regulären Treffens der EU-Innenminister am Donnerstag zu setzen. Er hofft dort auf eine qualifizierte Mehrheit für die Aktivierung des Mechanismus. Johansson, die bis dahin einen konkreten Vorschlag vorlegen will, sagte, beim Treffen am Sonntag habe sich die Mehrheit der Ministerinnen und Minister für die Aktivierung der Richtlinie ausgesprochen. Nicht alle seien der Auffassung, dass jetzt schon der richtige Zeitpunkt dafür sei. Widerstand gegen die Aufnahme von Ukrainern hat es Johansson und Darmanin zufolge aber nicht gegeben.
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Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte sich vor dem Treffen in Brüssel ebenfalls für einen unbürokratischen Weg der Schutzgewährung ausgesprochen. Nach dem Treffen sprach sie von einem „Schulterschluss aller Staaten der Europäischen Union“. „Wir schaffen in allen EU-Mitgliedstaaten das gleiche, unbürokratische Verfahren zur Aufnahme von Kriegsflüchtlingen“, sagte sie. Europa sei angesichts der russischen Bedrohung enger zusammengerückt. „Alle EU-Staaten sind zur Aufnahme von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine bereit“, betonte Faeser.
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Die Richtlinie aus dem Jahr 2001 verfolgt die Idee, dass im Fall einer großen Fluchtbewegung in die EU vorübergehend vereinfacht ein Schutzstatus erteilt wird, um eine Überlastung der Asylbehörden zu vermeiden. Die deutsche Rechtsgrundlage für den Mechanismus ist in Paragraf 24 des Aufenthaltsgesetzes umgesetzt.
Die Richtlinie sieht auch eine solidarische Verteilung der Schutzsuchenden innerhalb der Europäischen Union vor - ein in der EU seit Jahren umstrittenes Thema, weil nicht alle Mitgliedsstaaten bislang mehr Flüchtlinge aufnehmen wollten. Johansson betonte, der Solidaritätsmechanismus der Richtlinie beruhe auf Freiwilligkeit. Der vorübergehende Schutz kann Faeser zufolge für bis zu drei Jahre gewährt werden. (epd)