Nach Anerkennung der Separatisten-Regionen: EU und USA kündigen Sanktionen gegen Russland an
Die Anerkennung der Separatisten-Regionen sei eine „Verletzung internationalen Rechts“, heißt es von der EU. Scholz, Biden und Macron wollen gemeinsam reagieren.
Die EU hat die Anerkennung der Separatisten-Regionen in der Ostukraine durch den russischen Präsidenten Wladimir Putin auf das Schärfste verurteilt und Sanktionen gegen alle Beteiligten angekündigt.
„Die Anerkennung der zwei Separatisten-Gebiete in der Ukraine ist eine eklatante Verletzung internationalen Rechts, der territorialen Integrität der Ukraine und der Minsker Vereinbarungen“, erklärten EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel am Montag im Online-Dienst Twitter.
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In einer gemeinsamen Erklärung der beiden hieß es zudem: „Die Union wird mit Sanktionen gegen diejenigen reagieren, die an diesem rechtswidrigen Vorgehen beteiligt sind.“
Auch die US-Regierung wird mit Sanktionen auf Russlands Entscheidung reagieren. US-Präsident Joe Biden werde in Kürze eine entsprechende Anordnung erlassen, teilte die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, am Montag mit. Die Maßnahmen träfen unter anderem Investitionen oder Handel von US-Personen mit Blick auf Donezk und Luhansk.
In einem Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj habe Biden das Engagement der Vereinigten Staaten für die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine betont, teilte das Weiße Haus am Montag mit. „Präsident Biden bekräftigte, dass die Vereinigten Staaten im Gleichschritt mit ihren Verbündeten und Partnern rasch und entschlossen auf eine weitere russische Aggression gegen die Ukraine reagieren werden“, hieß es.
„Größte Bedrohung für Frieden und Sicherheit in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg“
Auch Deutschland und Frankreich verurteilten die russische Anerkennung von Donezk und Luhansk scharf und kündigten eine Reaktion an. Bundeskanzler Olaf Scholz, US-Präsident Joe Biden und der französische Präsident Emmanuel Macron seien sich in einem Gespräch einig gewesen, dass es sich um einen klaren Bruch des Minsker Friedensabkommens für die Ostukraine handele, erklärte der deutsche Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montagabend. Dieser Schritt werde nicht unbeantwortet bleiben.
Scholz, Biden und Macron hätten sich solidarisch mit der Ukraine erklärt und die bislang zurückhaltende Reaktion von Präsident Wolodymyr Selensky gewürdigt, erklärte Hebestreit weiter. „Die Partner waren sich einig, nicht nachzulassen in ihrem Einsatz für die territoriale Integrität und Souveränität der Ukraine. Zugleich werde man sich nach Kräften dafür engagieren, eine weitere Eskalation der Lage zu verhindern.“
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Baerbock hatte zuvor an den russischen Präsidenten Wladimir Putin appelliert, nicht länger mit Menschenleben zu spielen. Der Bruch des Waffenstillstands im Osten der Ukraine habe dort unter anderem zu einem Zusammenbruch der Wasser- und Stromversorgung geführt.
„Das liegt in der Verantwortung der russischen Regierung“, sagte Baerbock. Sie forderte Moskau auf: „Kommen Sie an den Verhandlungstisch zurück.“
Lettland und Litauen für sofortige Gegenmaßnahmen
Baltische EU-Staaten wie Litauen hatten schon bei einem Treffen der Außenminister in Brüssel eine sofortige Verhängung von Strafmaßnahmen gegen Moskau gefordert. So sprach sich der litauische Außenminister Gabrielius Landsbergis dafür aus, Personen in Russland zu sanktionieren, die für Falschinformationen zum Ukraine-Konflikt verantwortlich sind.
Auch sein lettischer Amtskollege Edgars Rinkevics forderte angesichts der „Eskalation der Situation im Donbass und der Entscheidung, die russischen Truppen in Belarus zu belassen“, eine sofortige Verhängung von Sanktionen.
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Genau dies verlangte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba, der bei dem Brüsseler Treffen ebenfalls anwesend war. Bei seiner Ankunft beim Treffen in Brüssel forderte Kuleba, dass die EU mit der Verhängung zumindest einiger Sanktionen deutlich machen solle, dass sie auch zum Handeln fähig sei.
Russland soll von Finanzmärkten abgeschnitten werden
Zuvor hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Sonntagabend in der ARD das Arsenal der Gegenmaßnahmen, welches der Gemeinschaft zur Verfügung steht, mit relativ deutlichen Worten umrissen. Die von EU und USA geplanten Finanzsanktionen seien darauf ausgerichtet, dass „Russland im Prinzip abgeschnitten wird von den internationalen Finanzmärkten“, sagte von der Leyen.
Nach ihren Worten richteten sich die möglichen Sanktionen gegen „die Güter, die Russland dringend braucht, um seine Wirtschaft zu modernisieren und zu diversifizieren, die aber von uns hergestellt werden, wo wir globale Dominanz haben, und die Russland nicht ersetzen kann". Das gilt beispielsweise für den Import von High-Tech-Produkten aus der EU nach Russland.
Zusätzlicher Finanzkredit für die Ukraine
Der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter, hält indes ein Aus für die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 im Fall eines russischen Angriffs auf die Ukraine für unausweichlich. „Es ist allen bewusst, dass Nord Stream 2 tot ist, wenn es zu einer Invasion kommt“, sagte der Grünen-Politiker dem Tagesspiegel.
Gleichzeitig sprach sich Hofreiter angesichts der Bedrohung der Ukraine durch russische Cyber-Attacken dafür aus, die wirtschaftliche Unterstützung für Kiew auszubauen. „Schon jetzt sind durch die Verunsicherung von Investoren erhebliche Schäden auf Seiten der ukrainischen Wirtschaft aufgetreten“, sagte er zur Begründung.
„Deshalb sollten sich sowohl die Bundesregierung als auch die EU-Kommission darauf einstellen, die ukrainische Wirtschaft noch einmal stärker zu stabilisieren.“
In Berlin teilte ein Regierungssprecher mit, dass die Bundesregierung und die Ukraine „mit Hochdruck“ an der Vorbereitung der Auszahlung eines zusätzlichen ungebundenen Finanzkredits arbeiteten. Zu beachten sei aber, dass insbesondere die Ukraine die notwendigen rechtlichen Voraussetzungen für die Entgegennahme des geplanten Darlehens schaffen müsse, erklärte der Sprecher.
Dafür sei unter anderem die Befassung des ukrainischen Parlaments erforderlich. „In Abhängigkeit vom parlamentarischen Prozess in der Ukraine gehen wir davon aus, dass die Auszahlung in wenigen Monaten beginnen kann, voraussichtlich im zweiten Quartal 2022“, erklärte der Sprecher.
Bei seinem Besuch in Kiew hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) der Ukraine einen weiteren ungebundenen Finanzkredit in Höhe von 150 Millionen Euro zugesagt. (mit dpa, AFP)