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Ein Helfer öffnet eine Rettungsdecke für Flüchtlinge, die auf dem Mittelmeer gerettet wurden.
© dpa/Javier Fergo
Update

Festgefahrene Migrationspolitik: EU-Treffen zur Seenotrettung endet ohne Ergebnis

Deutschland und Frankreich wollten eine europäische Übergangsregelung zur Verteilung von geretteten Migranten. Widerstand kommt vor allem aus Italien.

Deutschland und Frankreich haben bei einem EU-Treffen in Helsinki erfolglos versucht, eine europäische Übergangsregelung zur Verteilung von im Mittelmeer geretteten Migranten auf den Weg zu bringen. Die Verhandlungen mit anderen EU-Staaten werden nach Angaben von Bundesinnenminister Horst Seehofer nun in den kommenden Wochen fortgesetzt. In der ersten Septemberwoche soll es dann noch einmal ein Sondertreffen auf Malta geben.

Seehofer zeigte sich mit dem Verlauf der Verhandlungen trotz der ausgebliebenen Einigung zufrieden. „Ich denke, wir sind bei den sehr divergierenden Positionen am Ausgang der Diskussion jetzt doch einen wesentlichen Schritt weitergekommen“, sagte er. Er sei „ziemlich zuversichtlich“, dass man Anfang September zu einer Einigung kommen könne. Im Idealfall würde sich dann ein gutes Dutzend Staaten freiwillig an dem Aufnahmemechanismus für aus Seenot gerettete Menschen beteiligen.

Die von Deutschland und Frankreich initiierte Regelung soll verhindern, dass Italien und Malta Schiffen mit geretteten Menschen die Einfahrt in ihre Häfen untersagen. Beide Staaten hatten dies in der Vergangenheit mehrfach getan, weil sie befürchteten, mit der Verantwortung für die Migranten von den EU-Partnern alleine gelassen zu werden. Infolgedessen harrten Menschen auf privaten Rettungsschiffen oft tagelang an Bord aus, bis eine Lösung gefunden war.

Für Aufsehen sorgte zuletzt vor allem der Fall der „Sea-Watch 3“. Die deutsche Kapitänin Carola Rackete hatte das Schiff Ende Juni nach tagelangem Warten unerlaubt in einen italienischen Hafen gesteuert, um dort gerettete Migranten an Land bringen zu können. Gegen sie wird nun in Italien ermittelt. Sie wurde am Donnerstag erneut von der Staatsanwaltschaft vernommen.

Widerstand gegen den deutsch-französischen Vorstoß kam am Donnerstag unter anderem aus Rom. Das dortige Innenministerium lehnt vor allem ab, dass die Migranten nach den derzeitigen Plänen alle in italienischen Häfen anlanden sollen. Man befürchte, dass nur Flüchtlinge (also die mit Chancen auf Asyl) auf andere Länder verteilt würden, und in den Erstankunftsländern die „Illegalen“ bleiben, „die schwer abzuschieben sind“, so das italienische Innenministerium.

Salvini will Abschiebungen beschleunigen

Der italienische Innenminister Matteo Salvini besteht zudem darauf, mehr dafür zu tun, dass Abfahrten vermieden und Abschiebungen beschleunigt werden. Dabei sollte es auch eine Liste der „sicheren Länder“ geben, in die die Menschen schnell zurückgeschickt werden könnten. „Denn eine Sache sind die Ankünfte aus Kriegsgebieten, eine andere die aus Tunesien oder Albanien“, so das Innenministerium.

Seehofer verwies hingegen darauf, dass man sich auf etliche gemeinsame Grundprinzipien habe verständigen können. So sei zum Beispiel klar, dass es keine Maßnahmen geben dürfe, „die faktisch zu einer Grenzöffnung führen“, sagte er. Gerettete ohne Anrecht auf internationalen Schutz müssten zügig in ihre Heimatländer zurückgeführt werden.

Der luxemburgische Minister Jean Asselborn hatte sich im Gegensatz zu Seehofer bereits zum Auftakt der Gespräche in Helsinki sehr pessimistisch gezeigt. Seinen Angaben zufolge waren zuletzt nicht einmal zehn Staaten bereit, sich an dem Übergangsmechanismus zu beteiligen. Es brauche eine „kritische Masse“, sagte Asselborn.

„Es geht mir nicht um die Zahl, aber es geht auch nicht, dass immer nur vier, fünf, sechs Länder mithelfen und andere schauen, in eine andere Ecke“, ergänzte er. „Ich frage mich, was die sich vorstellen.“ Seinen Angaben zufolge haben bislang neben Deutschland, Frankreich und Luxemburg lediglich Länder wie Portugal und Finnland Bereitschaft zu einer Unterstützung des Systems signalisiert. Als Blockierer nannte er Länder wie Polen und Ungarn.

Maltas Innenminister Michael Farrugia sagte, die Initiative von Deutschland und Frankreich sei ein guter Start, könne aber noch nachgebessert werden. Details nannte er nicht. Nach Angaben aus Verhandlungskreisen forderten Italien und Griechenland für eine Beteiligung an der Umverteilung, dass auch Menschen umverteilt werden, die über das Mittelmeer in ihre Länder kommen.

Neuer Frontex-Einsatz an albanisch-griechischer Grenze

Unterdessen wertete die Bundesregierung den neuen Frontex-Einsatz an der albanisch-griechischen Grenze zwei Monate nach Beginn als Erfolg. Die Operation der europäischen Grenzschutz-Agentur trage dazu bei, die „albanischen Behörden bei ihren grenzpolizeilichen Aufgaben und bei Rückführungsmaßnahmen zu unterstützen und an die qualitativen Standards der Europäischen Union in diesem Aufgabenbereich heranzuführen“, heißt es in der Antwort der Bundesregierung, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Entsprechende Vereinbarungen mit Serbien, Nordmazedonien und Bosnien-Herzegowina befinden sich nach Auskunft des Innenministeriums bereits „in der finalen Verhandlungsphase“.

Inzwischen sind an der albanisch-griechischen Grenze den Angaben zufolge 66 Grenzschützer aus zwölf Mitgliedstaaten im Einsatz, darunter elf Beamte der Bundespolizei. Gestartet war der Einsatz mit 50 Frontex-Beamten. Die Einsatzkräfte sollen Albanien helfen, seine „grüne Grenze“ zu überwachen und grenzüberschreitende Kriminalität zu verhindern. Dafür sind sie auch an fünf Grenzübergängen präsent. Es ist der erste Einsatz in einem Nicht-EU-Staat, bei dem Frontex-Einsatzkräfte auch hoheitliche Befugnisse anwenden.

Kritik an „Festung Europa“

Hintergrund des Frontex-Einsatzes ist die 2018 angestiegene Zahl von Flüchtlingen und Migranten, die versuchen, von Griechenland aus nach Albanien zu gelangen. Von dort aus geht es zumeist weiter über Montenegro oder Kosovo nach Italien, Österreich und Deutschland. Im ersten Halbjahr dieses Jahres wurden in Albanien nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration 1210 Migranten neu registriert. Im vergangenen Jahr kamen 3399 Menschen ins Land. Zum Vergleich: 2017 waren in Albanien 752 Migranten registriert worden.

Die Unterstützung durch Frontex an der serbisch-ungarischen Grenze wird nach Kenntnis der Bundesregierung fortgesetzt. Die Parlamentarische Versammlung des Europarates hatte Frontex Ende Juni aufgrund von „systematischen Menschenrechtsverletzungen in den Transit-Zonen“ aufgefordert, ihre Operationen in dem Gebiet auszusetzen.

Der Linke-Abgeordnete Andrej Hunko kritisierte die neuen Frontex-Einsätze als Ausdruck einer „Vorverlagerung der Festung Europa“. Die „Frontex-Grenztruppen“ könnten in einigen Jahren auch in Tunesien, Ägypten und womöglich auch in Libyen eingesetzt werden. Diese Länder verfügten jedoch alle „nicht über funktionierende Systeme, um Asylsuchenden Schutz zu gewähren“. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und Bundespolizeipräsident Dieter Romann hatten diese Woche betont, Migranten, die im Mittelmeer aus Seenot gerettet werden, könnten auch in Häfen in Nordafrika gebracht werden. (dpa)

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