Kohlendioxid-Ausstoß von Neuwagen: EU-Staaten für schärfere CO2-Standards für Autos
Die EU-Umweltminister haben einen Kompromiss bei den CO2-Grenzwerten für Neuwagen erzielt. Kanzlerin Merkel begrüßt die Entscheidung, der Autoverband hält sie für überzogen
Berlin/Brüssel - Die nächste Etappe der CO2-Regulierung für Pkws und leichte Nutzfahrzeuge nimmt Formen an: Am Mittwoch fanden die ersten sogenannten Trilog-Verhandlungen statt. Dabei versuchen die beiden Co-Gesetzgeber der EU – der Ministerrat der 28 Mitgliedsländer sowie das Parlament –, einen Kompromiss zu erzielen, um wie viel Prozent Hersteller den Spritverbrauch von Neufahrzeugen, gemessen in CO2-Ausstoß je gefahrenen Kilometer, zwischen 2021 und 2030 drosseln müssen.
Die Verhandlungen werden geführt von Österreich, das gerade die Ratspräsidentschaft innehat und damit die Geschäfte im Ministerrat führt, sowie der maltesischen Europaabgeordneten Miriam Dalli, einer Sozialistin. In der Nacht zu Mittwoch hatten sich die Mitgliedstaaten auf ihre Verhandlungslinie geeinigt: Sie wollen durchsetzen, dass Neufahrzeuge 2030 im Schnitt 35 Prozent weniger Sprit verbrauchen als 2021. Das EU-Parlament hatte sich für ein Reduktionsziel von 40 Prozent ausgesprochen.
Die Bundesregierung hat sich in den Verhandlungen nicht mit ihrer Position durchsetzen können, den Ausstoß um 30 Prozent zu reduzieren. Letztlich stimmte die deutsche Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) für den 35-Prozent-Kompromiss. Dagegen stimmten die Niederlande, Luxemburg, Irland und Slowenien. Sie gaben auch eine „Erklärung der Enttäuschten“ ab, mit der sie gegen den mangelnden Ehrgeiz der EU protestierten. Enthalten haben sich Bulgarien, Malta, Dänemark und Ungarn.
Merkel mahnt die Einhaltung "strenger Absprachen" an
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) begrüßte den Kompromiss. Es sei ein Ergebnis zustande gekommen, das „auch aus meiner Sicht tragbar ist“, sagte sie am Mittwoch. Dabei gebe es „eine ganze Reihe von wichtigen Randbedingungen“, fuhr Merkel fort und nannte etwa die Revisionsklausel. Der Kompromiss der Umweltminister sieht vor, dass die EU-Kommission im Jahr 2023 nochmals eine tiefgreifende Analyse auch mit Blick auf den Stand der Technik vornimmt. Sie kann bei Unterstützung der Mitgliedstaaten dann entscheiden, den CO2-Kompromiss nochmals aufzuschnüren, und veränderte Prozentziele vorschlagen. Es gebe nun eine „sehr strenge Absprache“, in den Trilog-Verhandlungen darauf zu dringen, das erzielte Ergebnis „auch zu halten“, sagte Merkel.
Die Mitgliedstaaten und das Europaparlament haben im Detail etwas unterschiedliche Positionen, sie liegen aber nicht so weit auseinander, dass eine Einigung unmöglich erschiene. Das Parlament will den CO2-Ausstoß um 40 Prozent absenken, der Rat um 35 Prozent. Das Parlament plant ein Bestrafungssystem, sollten die Hersteller es nicht schaffen, bis 2030 den Anteil von Niedrigemissionsfahrzeugen bei den Neuwagen auf 35 Prozent zu erhöhen. Als Niedrigemissionsfahrzeug gelten Autos, die weniger als 50 Gramm CO2 je gefahrenen Kilometer ausstoßen. Der Rat will dagegen kein Bestrafungssystem, sondern ein Anreizsystem: Hersteller, die besonders viele E-Autos verkaufen, sollen diese doppelt angerechnet bekommen, wenn es darum geht, das 35-Prozent-Ziel 2030 zu erreichen.
Ziele können 2023 noch revidiert werden
Polen, Tschechien und die Slowakei konnten zudem durchsetzen, dass es besondere Anreize für Hersteller geben soll, preisgünstige Elektrofahrzeuge in Mittel- und Osteuropa zu verkaufen. So sollen Hersteller den Verkauf von E-Autos in bestimmten Ländern mit dem dreifachen Faktor anrechnen können. Die betreffenden Länder sollen 2021 definiert werden und zwar als Länder, in denen die Elektrifizierung des Verkehrs und der Ausbau der Ladeinfrastruktur im EU-Vergleich am wenigsten fortgeschritten sind.
Der Chef des Branchenverbandes VDA, Bernhard Mattes, reagierte enttäuscht: Rat und Parlament gingen „mit überzogenen Forderungen in die Trilog-Verhandlungen“. Die Mitgliedstaaten hätten die Chancen vertan, die CO2-Regulierung wirtschaftlich und technisch realistisch zu gestalten. Er sagte: „Die EU wird zu hohe Ziele verabschieden. In keinem Teil der Welt sind vergleichbare Ziele in Sicht.“
Umweltverbände und Opposition kritisieren die Einigung
Die Umweltministerin wies die Kritik zurück. Den Kompromiss halte sie „auf jeden Fall für verträglich“, sagte sie am Mittwoch. Die Regelung werde nicht zu größeren Jobverlusten führen, sondern dazu, „dass die Industrie in Deutschland sich auf das vorbereitet, was unweigerlich kommt – nämlich ein Aus des Verbrennungsmotors und ein alternativer Antrieb“. Die Grenzwerte könnten der Automobilindustrie in Europa helfen, sich „fit für die Zukunft zu machen“. Auch der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) lobte den Kompromiss als „ein wichtiges Signal für die Energiewende im Verkehrsbereich“.
Umweltverbände und Oppositionspolitiker kritisierten die Einigung der Umweltminister. Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag, sagte: „Das Verhandlungsergebnis ist die nächste Klatsche für die Bundesregierung.“ Mit ihrem Kuschelkurs mit der Autoindustrie isoliere die Koalition Deutschland in der Klimapolitik. Michael Müller-Görnert vom ökologischen Verkehrsclub VCD sagte: „Die EU-Umweltminister haben dabei versagt, dem alarmierenden Bericht des Weltklimarats Taten folgen zu lassen.“