Banken von Finanzmärkten abgeschnitten: EU-Ratspräsident Michel kündigt „dringend“ weitere Sanktionen an
Nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine hat sich die EU auf Sanktionen gegen Russland geeinigt. Nun sollen offenbar noch weitere verhängt werden.
Der Präsident des Europäischen Rats Charles Michel kündigt ein weiteres Sanktionspaket gegen Russland an. „Das sinnlose Leid und der Verlust ziviler Leben muss aufhören“, schrieb er am Morgen auf Twitter. „Europa steht zum ukrainischen Volk und wird weiter Unterstützung bereitstellen.“ Ein „weiteres Paket“ befinde sich in „dringender Vorbereitung“.
Die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten haben am Donnerstag bei einem Sondergipfel einem umfangreichen Sanktionspaket gegen Russland zugestimmt. Die Strafmaßnahmen betreffen unter anderem die Bereiche Energie, Finanzen und Transport. Zudem soll es Exportkontrollen für bestimmte Produkte sowie Einschränkungen bei der Visapolitik geben.
Ein Ausschluss Russlands aus dem Banken-Kommunikationsnetzwerk Swift und Ausfuhrverbote für zum Beispiel Erdgas waren nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur demnach zunächst nicht vorgesehen. Es wird allerdings in EU-Kreisen für gut möglich gehalten, dass es zu einem späteren Zeitpunkt noch zu einem Ausschluss aus Swift kommt und dass Russland selbst die Versorgung der EU mit Erdgas einstellt.
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Bislang liefert der russische Staatskonzern Gazprom nach Angaben der EU-Kommission rund 40 Prozent der in der EU verbrauchten Gasmenge.
„Die EU wird das härtestes Sanktionspaket beschließen, das sie je beschlossen hat", hatte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell vor der Einigung gesagt. „Wir stehen an der Seite der Ukraine", sagte Borrell.
Die Bundesaußenministerin Annalena Baerbock kündigte in einer Rede am Morgen schärfste Sanktionen gegen Russland an. „Wir werden das volle Paket mit massivsten Sanktionen gegen Russland auf den Weg bringen“, sagte sie.
Bei den Sanktionen gegen den Finanzsektor geht es den Angaben zufolge vor allem darum, Banken von den EU-Finanzmärkten abzuschneiden. Sie sollen sich in der EU künftig kein Geld mehr ausleihen und auch kein Geld mehr verleihen können. Zudem soll die Refinanzierung von russischen Staatsunternehmen in der EU verhindert werden. Ihre Aktien sollen nicht mehr in der EU gehandelt werden. Ähnliches ist für den Energiesektor geplant.
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Bei den Sanktionen gegen den Transportsektor geht es vor allem darum, die russische Luftverkehrsbranche von der Versorgung mit Ersatzteilen und anderer Technik abzuschneiden. Damit könne man mit relativ kleinem Aufwand riesige Wirkung erzielen und sogar ganze Flotten stilllegen, hieß es am Donnerstag in Brüssel.
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Die Exportkontrollen für Hightech-Produkte und Software sollen es auch anderen russischen Schlüsselindustrien schwer machen, sich weiterzuentwickeln. Dabei könne das Land mittel- und langfristig schwer getroffen werden, hieß es in Brüssel.
Die Einschränkungen bei der Visapolitik sollen sich gegen Russen richten, die bislang privilegierte Einreisemöglichkeiten in die EU hatten. Dazu zählen neben Diplomaten beispielsweise auch Geschäftsleute.
Eine förmliche Entscheidung über das von der EU-Kommission und dem Auswärtigen Dienst vorbereitete Sanktionspaket soll umgehend vom Ministerrat getroffen werden. Die Staats- und Regierungschefs forderten zudem die zuständigen Institutionen auf umgehend mit Arbeiten an einem neuen Sanktionspaket zu beginnen. Es soll auch die Möglichkeit schaffen, die Vermögen von russischen Oligarchen in der EU einzufrieren. (dpa)