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Die italienische Außenministerin Federica Mogherini (41) soll neue EU-Außenbeauftragte werden.
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Ratspräsident und Außenbeauftragte: EU-Gipfel vergibt Topposten an Mogherini und Tusk

Der EU-Gipfel vergibt den Posten des Ratspräsidenten an den polnischen Regierungschef Tusk. Die italienische Außenministerin Mogherini wird neue EU-Außenbeauftragte. Die 41-Jährige verdankt ihr Amt der Sturheit von Italiens Premier Renzi.

Der EU-Gipfel hat den polnischen Regierungschef Donald Tusk (57) zum neuen EU-Ratspräsidenten bestimmt. Die italienische Außenministerin Federica Mogherini (41) soll neue EU-Außenbeauftragte werden, berichtete EU-Gipfelchef Herman Van Rompuy am Samstag auf dem Kurznachrichtendienst Twitter.

Bereits zuvor war diese Information durchgesickert. "Ich wette normalerweise nicht, aber ich würde mein Geld auf die beiden setzen", sagte Finnlands Regierungschef Alexander Stubb zu Beginn des EU-Gipfels am Samstag in Brüssel. Der aktuelle Ratspräsident Herman Van Rompuy bestätigte die Berufung Tusks zu seinem Nachfolger - allerdings zunächst inoffiziell und ungewollt.

"Behalte es noch für dich."

Als die EU-Staats- und Regierungschefs zu Beginn des Treffens in den Sitzungssaal kamen, zeichneten Kameras auf, wie Zyperns Präsident Nikos Anastasiades den bereits an seinem Platz sitzenden Van Rompuy fragt: "Haben wir Neuigkeiten? Ich habe gehört, das mit Donald ist ok?" Der Belgier antwortet daraufhin: "Ja, aber behalte es noch für dich." Die Szene wurde gefilmt und auf der Internetseite des EU-Kanals veröffentlicht. Zu Beginn von EU-Gipfeln sind Fotografen und Kameraleute im Sitzungssaal erlaubt, solange sich die Staats- und Regierungschefs begrüßen. Die wirklichen Verhandlungen fanden dann hinter geschlossenen Türen statt. Dort sollte nach einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko am Samstag auch die Neubesetzung der beiden Posten offiziell entschieden werden.

Bei einem ersten Sondergipfel zur Besetzung der Spitzenämter im Juli hatte es noch kein Einigung auf die Nachfolger der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton und Van Rompuys gegeben. Seitdem haben sich die Fronten offenbar geklärt.

Vorbehalte gegen Mogherini

Europas Sozialdemokraten legten sich vor dem Gipfel bei einem Treffen in Paris auf die 41-jährige Mogherini als Kandidatin für die Ashton-Nachfolge fest. Da der Christdemokrat Jean-Claude Juncker bereits neuer EU-Kommissionspräsident wird, beanspruchen die Linken den Posten der Außenbeauftragten.

Gegen die Sozialdemokratin Mogherini hatte es im Juli noch Vorbehalte gegeben: Kritiker halten sie für zu unerfahren - sie ist erst seit Februar Italiens Außenministerin. "Ich glaube, dass Federica Mogherini nicht mit dem Vorurteil belegt werden sollte, dass sie jung ist", sagte der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz (SPD). Die 41-Jährige sei eine erfahrene Politikerin - und Außenminister eines G-7-Staates werde niemand durch Zufall.

Die gebürtige Römerin war auch in ihrer Heimat unbekannt

Allerdings war auch in Italien die Überraschung groß, als der designierte neue Premier Matteo Renzi im vergangenen Februar seine Ministerliste präsentierte, auf welcher auch der Name von Federica Mogherini stand. Die gebürtige Römerin, welche jüngste Außenministerin der Republik werden sollte, war außerhalb ihrer sozialdemokratischen Partei Partito Democratico auch in der Heimat weitgehend unbekannt. Das änderte sich schnell: Mogherini erschien zur ihrer Vereidigung durch Staatspräsident Giorgio Napolitano als jugendliche Kopie von Hillary Clinton: identische Frisur, identisches lachsfarbenes Jackett, identische Gestik und Mimik. Ironische Kommentare in den italienischen Medien waren die unausweichliche Folge. Ob das Outfit und Auftreten Mogherinis Ausdruck einer unbewussten Überidentifikation mit der US-Außenministerin, von Selbstüberschätzung oder einfach nur von verständlicher Aufregung war, kann bis heute niemand sagen. Nach dem schrägen Auftritt auf dem Quirinal wurde es zunächst wieder still um die stets ernsthafte italienische Außenministerin - bis Mogherini im Juli von Renzi als neue EU-Außenbeauftragte vorgeschlagen wurde. Osteuropäische Staaten warfen ihr nach der Nominierung vor, zu russlandfreundlich zu sein

Renzi bestand auf eine Verjüngung

Letztlich hat Mogherini ihr neues Amt der Sturheit Renzis zu verdanken: Der italienische Regierungschef weigerte sich trotz der Vorbehalte der EU-Partner beharrlich, eine Alternative anzubieten: Der Partito Democratico stelle in der Fraktion der Euro-Sozialisten im Europaparlament nach seinem Erfolg bei den Europawahlen vom Mai die größte Ländergruppe und habe damit ein Anrecht auf einen gewichtigen Posten in Brüssel, argumentierte Renzi. Unnachgiebig hatte sich Renzi schon bei der Nominierung Mogherinis als Außenministerin gegeben: Staatspräsident Napolitano hätte lieber den Verbleib der damaligen Amtsinhaberin, der erfahrenen und international angesehenen ehemaligen EU-Kommissarin Emma Bonino, gesehen. Doch der als "Verschrotter" der alten Politikergarde angetretene Renzi bestand auch im Außenministerium auf "Diskontinuität".

Das war Renzi nicht schwergefallen, zumal Mogherini durchaus außenpolitische Kompetenz vorzuweisen hat – wenn auch nicht auf Regierungs-, aber immerhin auf Parteiebene. Mogherini hatte sich schon während ihres Politikstudiums als Mitglied der Jugendorganisation der kommunistischen Partei mit internationalen und humanitären Fragen befasst, war bei der Sinistra Giovanile (Jungen Linken) zuständig für die Außenpolitik und hat ab 2003 innerhalb ihrer Mitte-Links-Partei in der Abteilung für internationale Beziehungen gearbeitet. Im Parlament, in welches Mogherini 2008 gewählt worden war, saß sie in den Ausschüssen für Äußeres und Verteidigung; 2013 übernahm sie den Vorsitz der italienischen Delegation in der parlamentarischen Versammlung der Nato.

Die zweifache Mutter Mogherini ist seit ihrem Uni-Abschluss (ihre Diplomarbeit befasste sich mit dem Verhältnis von Religion und Politik im Islam) Berufspolitikerin – einen "normalen" Beruf hat sie nie ausgeübt. Kritiker werfen der ehrgeizigen Mogherini vor, sie habe sich innerhalb des notorisch zerstrittenen Partito Democratico stets opportunistisch dem Flügel des gerade amtierenden Parteivorsitzenden angeschlossen. Tatsächlich hatte sie zum Beispiel unter dem früheren Parteichef Pierluigi Bersani dem damaligen Florentiner Bürgermeister Matteo Renzi außenpolitischen Analphabetismus vorgeworfen: "Matteo müsste ziemlich intensiv Außenpolitik studieren. Ich glaube, er würde keine genügende Note erhalten." Bei anderer Gelegenheit sagte Mogherini über ihren heutigen Mentor Renzi, er sei "zu stark in der Vergangenheit verhaftet, um der Mann der Zukunft zu sein." Man kann dem heutigen Partei- und Regierungschef manches vorwerfen, aber eines nicht: dass er nachtragend sei. (mit AFP/dpa)

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