Nach dem Libyen-Gipfel: EU erwägt Wiederbelebung der Mission „Sophia“
Nach der Libyen-Konferenz macht sich der EU-Außenbeauftragte Borrell für eine neue EU-Mission „Sophia“ stark. Aber Außenminister Maas ist zurückhaltender.
Es ist mehr als neun Monate her, seit die EU ihre Marine-Mission „Sophia“ vor der Küste Libyens ausgesetzt hat. Dass der „Sophia“-Einsatz demnächst wieder aufgenommen werden könnte, hängt mit zwei Dingen zusammen: dem Ergebnis der Berliner Libyen-Konferenz vom vergangenen Sonntag und den veränderten Machtverhältnissen in Italien.
Am Sonntag hatten sich ein Dutzend Teilnehmer-Staaten beim Gipfel in Berlin darauf verständigt, den Konflikt in Libyen nicht weiter von außen anzuheizen. Dazu soll das von den Vereinten Nationen gegen Libyen verhängte Waffenembargo stärker als in der Vergangenheit überwacht werden. Zudem hatten die Teilnehmer-Staaten zugesagt, dass es „keine weiteren Unterstützungsleistungen“ für die libyschen Konfliktparteien geben soll. Um einem dauerhaften Waffenstillstand zu Weg zu bereiten, wird der UN-Sonderbeauftragte Ghassen Salamé demnächst Folgetreffen mit den Konfliktparteien abhalten.
Das Brüsseler PSK-Gremium soll die Prüfung übernehmen
Am Tag nach der Berliner Konferenz stellte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell beim Treffen der europäischen Außenminister in Brüssel mehrere Optionen vor, wie die Europäer die Beschlüsse der Berliner Konferenz umsetzen könnten. Im Mittelpunkt stand dabei die Wiederbelebung der Mission „Sophia“. Nach den Worten von Borrell müsse die Einhaltung des Waffenembargos nicht nur auf hoher See kontrolliert werden, wie dies durch „Sophia“ auch bisher schon geleistet werden konnte. Zudem werde auch eine Luftüberwachung benötigt, erklärte der Spanier.
Obwohl nach den Worten des Außenbeauftragten kein regelrechter Waffenstillstand in Libyen für eine Neuauflage der Mission „Sophia“ vonnöten ist, müssen sich vor einem formalen Beschluss erst einmal die EU-Gremien mit einer neuen Fokussierung des Einsatzes befassen. Dazu zählt unter anderem das Politische und Sicherheitspolitische Komitee (PSK) der Mitgliedstaaten. Er hoffe, dass bis zum nächsten Treffen der EU-Außenminister im Februar entsprechende Vorschläge auf dem Tisch lägen, erklärte Borrell.
Zurückhaltender äußerte sich in Brüssel hingegen Außenminister Heiko Maas (SPD). Zunächst gehe es erst einmal darum, „aus der brüchigen Waffenruhe, die wir haben, erst einmal einen Waffenstillstand zu machen“, sagte der SPD-Politiker.
„Sophia“ war im März des vergangenen Jahres ausgesetzt worden. Die Mission, an der sich auch die deutsche Marine beteiligte, hat unter andrerem die Zerschlagung von Schleppernetzwerken zum Ziel. Sie kann im Rahmen ihres Mandats der Vereinten Nationen aber auch einen Beitrag zur Durchsetzung des Waffenembargos leisten.
Flüchtlingsrettung soll nicht mehr im Zentrum stehen
Im Auftrag von „Sophia“ waren zudem Flüchtlinge aus dem Mittelmeer gerettet worden. Im Frühjahr 2019 setzte der damalige italienische Innenminister Matteo Salvini aber eine Aussetzung der Mission durch, um eine weitere Aufnahme der Flüchtlinge in seinem Land zu verhindern. Inzwischen ist Salvinis Lega-Partei aus der Regierung in Rom ausgeschieden.
Damit dürfte auch Italien kein Veto mehr gegen den neuerlichen Einsatz von EU-Schiffen einlegen. Borrell wies am Montag darauf hin, dass eine erneute Aktivierung des „Sophia“-Einsatz nicht in erster Linie die Rettung von Flüchtlingen, sondern die Überwachung des Waffenembargos gegen Libyen zum Ziel habe. Derzeit ist der EU-Einsatz vor allem darauf beschränkt, die libysche Küstenwache auszubilden, welche auf See aufgegriffene Flüchtlinge wieder in das Bürgerkriegsland zurückbringt.
Auch ein zivil-militärischer Einsatz wird erwogen
Die EU-Staaten erwägen darüber hinaus eine zivile oder militärisch-zivile Mission in Libyen im Rahmen der Vereinten Nationen – für den Fall, dass die gegenwärtige Waffenruhe in einen Waffenstillstand münden sollte. Zuvor hatte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) am Sonntagabend im ZDF erklärt, dass Beobachtermissionen zur Überprüfung von Waffenstillständen auch einen zivilen Charakter haben könnten, wie etwa der Einsatz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in der Ukraine. Auch der EU-Außenbeauftragte Borrell äußerte sich mit Blick auf einen möglichen Einsatz von EU-Soldaten im Libyen-Konflikt zurückhaltend. Es gebe auch an andere Akteure in der Region, sagte der angesichts einer möglichen Beteiligung etwa der Afrikanischen Union (AU) an einem eventuellen Einsatz.