EU-Austritt Großbritanniens: EU bereitet sich auch auf Scheitern der Brexit-Verhandlungen vor
EU-Ratspräsident Tusk hat Leitlinien für die Gespräche mit Großbritannien über den Brexit entwickelt. Dabei kalkuliert er ein, dass es auch schlecht laufen kann.
Die Europäische Union bereitet sich auch auf ein mögliches Scheitern der Verhandlungen über den Austritt Großbritanniens vor - auch wenn sie "konstruktiv" und "hart" für deren Gelingen arbeiten will. Dies geht aus dem Vorschlag für die Leitlinien der EU bei den Brexit-Verhandlungen hervor, den EU-Ratspräsident Donald Tusk am Freitag unterbreiten will. Die Union werde "hart arbeiten", um zu einer Einigung zu gelangen, "aber sie bereitet sich auch darauf vor, die Situation zu bewältigen, wenn die Verhandlungen scheitern".
Demnach lehnt die EU überdies die von Premierministerin Theresa May geforderten parallelen Verhandlungen über den Brexit und die künftigen Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien ab. Vielmehr fordert sie, die Verhandlungen nach einem "schrittweisen Ansatz" zu führen: Wenn es bei den Brexit-Gesprächen "ausreichende Fortschritte" gebe, würden die EU-Staats- und Regierungschefs entscheiden, "ob die Verhandlungen in die nächste Phase übergehen".
Die EU sei bereit für ein "Übergangsabkommen" nach dem Brexit im Jahr 2019, heißt es in dem Papier weiter. Großbritannien hatte am Mittwoch offiziell seinen Austrittsantrag eingereicht. Damit beginnt ein zweijähriger Verhandlungsprozess über die Entflechtung der Beziehungen.
Auch andere Teile der achtseitigen EU-Leitlinien dürften auf weniger Gegenliebe in London stoßen. Der Entwurf wird in den kommenden Wochen womöglich noch verändert. Am 29. April treffen sich die 27 Staaten zu einem Sondergipfel in Brüssel. Tusk sagte in Malta, er rechne mit schwierigen, manchmal auch konfrontativen Gesprächen. Wichtig sei, dass beide Seiten zeigten, fair zueinander sein zu wollen. "Dies ist meine erste Scheidung, und ich hoffe, es wird meine letzte sein", sagte Tusk.
Nach Angaben des maltesische Ministerpräsidenten Joseph Muscat, dessen Land derzeit die EU-Ratspräsidentschaft ausübt, gibt es unter den 27 Regierungen breite Übereinstimmung über die Leitlinien. "Es werden harte Verhandlungen, aber es wird kein Krieg", sagte er mit Blick auf die Gespräche, die voraussichtlich im Mai beginnen. Die Beratungen über die Bedingungen des britischen EU-Austritts sollen im Herbst 2018 beendet sein, damit der Brexit laut EU-Verträgen im März 2019 Wirklichkeit wird.
Briten sollen vier EU-Grundfreiheiten akzeptieren
In einer Übergangsphase soll Großbritannien den Leitlinien zufolge nach dem Brexit 2019 so lange die EU-Gesetze akzeptieren, bis das Freihandelsabkommen abgeschlossen ist. Dazu zählen finanzielle Verpflichtungen und die Unterwerfung unter die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union. Zahlungen Richtung Brüssel und das Akzeptieren von EU-Recht gehörten zu den Argumenten, mit denen die Befürworter des Brexits vor dem Referendum vergangenen Juni Stimmung gegen die EU gemacht hatten.
Den Leitlinien zufolge soll Großbritannien alle vier Grundfreiheiten der EU akzeptieren, solange es nach dem Brexit noch dem Binnenmarkt angehört. Das würde auch bedeuten, dass die Regierung in London den Zuzug von EU-Ausländern akzeptieren müsste. Ein Zeitraum für die Übergangsphase wird nicht genannt. Das EU-Parlament, das einem Brexit-Abkommen zustimmen muss, visiert drei Jahre an. Andere EU-Vertreter rechnen mit bis zu fünf Jahren.
Als Priorität für die Verhandlungen nennt die EU-Seite die Beseitigung von Rechtsunsicherheit für jene Bürger der EU und Großbritanniens, die im jeweils anderen Hoheitsgebiet leben und arbeiten. Rechte, die vor dem Brexit-Datum erworben worden seien, müssten bestehen bleiben. Mit Blick auf die Warnung Mays, dass keine Einigung zustande kommen könnte, heißt es in den Leitlinien, dass sich die EU auf einen solchen Fall vorbereiten soll. Man müsse aber daran arbeiten, dass dies nicht passiere, weil es nicht im Interesse beider Seiten sei. Nach bisherigem Stand endet die EU-Mitgliedschaft Großbritanniens am 29. März 2019. Die zweijährige Frist kann nur verlängert werden, wenn die Regierungen in London und alle anderen 27 EU-Staaten dem zustimmen. (AFP, Reuters)