„Das wäre ein Bärendienst für unsere Umwelt“: Esken attackiert Baerbock für Äußerungen über höheren Benzinpreis
SPD-Chefin Esken meint, dass Grünen-Chefin Baerbock einige Autofahrer wahllos unter Druck setzt. Die Kanzlerkandidatin reagiert mit einem neuen Vorschlag.
SPD-Chefin Saskia Esken hat Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock vorgeworfen, mit Äußerungen über höhere Spritpreise dem Klimaschutz zu schaden.
„Wer jetzt wie Annalena Baerbock oder auch Andreas Jung von der CDU an der Spritpreis-Schraube drehen will, jagt gerade denen einen Schrecken ein, die auf ihr Auto angewiesen sind und die mit einem schmalen Budget haushalten müssen“, sagte Esken dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Solche Manöver führen womöglich dazu, dass sich die Bürgerinnen und Bürger vom gemeinsamen Engagement für unser Klima abwenden“, setzte sie hinzu. „Das wäre ein Bärendienst für unsere Umwelt.“
Baerbock war zuvor für eine Benzinpreis-Erhöhung von insgesamt 16 Cent eingetreten - gemäß dem Programmentwurf ihrer Partei. Aus Sicht der Grünen sind davon 6 Cent mit dem CO2-Preis auf Benzin zu Jahresbeginn schon erfolgt.
[Mehr über den Streit über die Kosten für Klimaschutz lesen Abonnenten von T+ hier: Was der CO2-Preis die Bürger kosten kann]
Kritik an ihren Äußerungen hatte Baerbock im „Handelsblatt“ mit dem Hinweis gekontert, die Koalition habe selbst den CO2-Preis eingeführt und gerade die Klimaziele geschärft - „beides zurecht“. Dann müsse man aber auch zu den eigenen Beschlüssen stehen und sie umsetzen. Unionsfraktionsvize Andreas Jung hatte Mitte Mai dafür plädiert, den CO2-Preis schneller als geplant steigen zu lassen.
Esken mahnte, die Bewältigung des Klimawandels sei eine Menschheitsaufgabe. „Die kann man nicht im politischen Elfenbeinturm erreichen.“ Alle müssten dabei mitziehen. Der CO2-Preis als Steuerungsinstrument dürfe nicht für sich alleine stehen. Dafür brauche es Investitionen in klimafreundliche Alternativen und einen sozialen Ausgleich.
[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble mahnte ebenfalls, beim Klimaschutz die Situation der Menschen im Blick zu behalten. Er finde es zwar „toll, wie sich gerade die junge Generation für den Klimaschutz engagiert. Das treibt die Politik an“, sagte Schäuble dem Magazin „Focus“.
„Allein durch Verzicht werden wir Menschen in aufstrebenden Weltregionen nicht überzeugen. Und wir müssen auf diesen anstrengenden Weg allein in Deutschland schon 83 Millionen Bürger mitnehmen - und unsere Wirtschaft“, betonte der Parlamentspräsident. Schäuble zeigte sich zugleich überzeugt, „dass wir auch klimaneutral Wachstum und Wohlstand schaffen können“.
Je größer und klimaschädlicher das Auto, desto höher die Besteuerung?
Baerbock selbst ging im Gespräch mit dem „Handelsblatt“ noch weiter und will im Falle eines Wahlsieges Pendler ohne Dienstwagen und mit niedrigem Einkommen beim Kauf eines E-Autos stärker fördern. Das derzeitige System sei definitiv nicht fair, sagte sie.
Ein gut verdienender Freiberufler, der einen Dienstwagen für 150.000 Euro mit einem hohen CO2-Ausstoß kaufe, werde durch den Staat und damit von der Allgemeinheit mit über 75.000 Euro entlastet. Eine Hebamme, die deutlich schlechter verdiene und für ein Zehntel des Kaufpreises ein kleines Auto fahre mit viel geringerem CO2-Ausstoß werde steuerlich lediglich um etwas über 5000 Euro entlastet.
Das sei nicht nur ökologisch falsch, sondern manifestiere auch die soziale Spaltung. Je größer und klimaschädlicher das Auto, desto höher solle künftig die Besteuerung ausfallen, sagte Baerbock.
Baerbock warb zugleich für einen Pakt mit der Industrie, um Unternehmen bei der Transformation hin zur Klimaneutralität zu unterstützen: „Es braucht ein gemeinsames Vorgehen von Industrie und Politik, ein Umbauprogramm mit einer historischen Dimension“, sagte sie dem Blatt. Die Unternehmen müssten beim Umbau hin zur Klimaneutralität deutlich schneller werden: „Dafür brauchen sie von der Politik die Sicherheit, dass sich ihre Milliardeninvestitionen, vor denen sie jetzt stehen, in Zukunft rechnen.“
Baerbock schlägt dem Blatt zufolge Klimaverträge vor, über die der Staat die Mehrkosten für das Unternehmen ausgleicht, wenn es klimaneutral produziert. Der Staat müsse jetzt für Planungssicherheit sorgen und in Vorleistung gehen, so Baerbock. Wenn sich die Produkte in Zukunft allerdings rechneten, „geben die Unternehmen den Vorschuss an die Allgemeinheit zurück“. (dpa)