Die Grünen und ihre Wahlchancen: Es liegt nicht an Baerbock allein
Mit Bangigkeit blicken die Grünen auf den Wahltag. Zwei Lehren werden aus dem Verlauf des Wahlkampfs zu ziehen sein. Ein Kommentar.
Der Tag der Abrechnung naht: der Wahltag. Und neben den Unionsparteien blicken dem auch die Grünen mit einer gewissen Bangigkeit entgegen.
Vorbei sind die goldenen Tage nach der Nominierung von Annalena Baerbock als erste grüne Kanzlerkandidatin. Bis zu 28 Prozent in Umfragen, dem politischen Himmel so nah, sprich dem Kanzleramt – davon können sie, die Grünen und Baerbock selbst, heute nur noch träumen.
Zwischendurch waren es sogar Albträume. Wer glaubt noch an eine Kanzlerin Baerbock? Nicht einmal sie selbst. Sie sagt es im Wahlkampf auch gar nicht mehr, sondern formuliert als Ziel eine „Regierung mit starken Grünen“. Das Minimalziel.
Nun ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es so kommt. Grün wird zur ersten Komplementärfarbe. Bloß die Hauptfarbe in der Koalition steht noch nicht fest. Richtig: Das triste Ergebnis der Bundestagswahl 2017 wird die bisher kleinste Oppositionspartei übertreffen; die 8,9 Prozent sind kein Maßstab mehr. Aber eben auch nicht die 20+, ja fast 30 Prozent.
Nach dem Schluss der Wahllokale könnte, wenn nicht persönlich abgerechnet, so doch intern aufgerechnet werden: Was wäre möglich gewesen, wenn … Wenn Baerbock beispielsweise ihre Nebeneinkünfte regelgerecht gemeldet, ihren Lebenslauf überprüft und das Buch nicht veröffentlicht hätte.
Vielleicht sollte die Partei zur Urwahl zurückkehren
Doch den Umfrageabsturz auf den Bronzeplatz, den dritten, ihr allein anzulasten, heißt, die Partei aus der Verantwortung zu entlassen. Das wäre ungerecht. Die Spitzenkandidatin kann ja nicht allein den Politikansatz der Grünen verbreitern, vom Ursprungsthema Umwelt und Klima auf alle gesellschaftlichen Herausforderungen.
Wobei: Die Flut hat auch dem Letzten vor Augen geführt, wie wichtig Klimaschutz ist, für alle. Dafür waren die Grünen mit Baerbock an der Spitze erstaunlich lange defensiv, zeitweilig nahezu unsichtbar.
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Darum lautet Lehre Nummer eins: Wer Volkspartei neuen Zuschnitts werden will, muss dennoch aufs Volk zugehen. Und ihm aufs Maul schauen, wie Martin Luther mal schön plastisch sagte. Es reicht nicht, Klimaschutz mit Wirtschafts- und Sozialpolitik in einem Atemzug zu nennen. Das versteht sich nicht von selbst.
15, 16, 17 Prozent wären deshalb viel – und trotzdem eine Enttäuschung. Aber eben auch Lehre Nummer zwei: Grün ist, wenn man’s trotzdem macht. Also sich treu bleibt. Mindestens diskutiert werden muss, ob die Partei zum Basisdemokratischen als Prinzip zurückkehren muss: die Urwahl des Kandidaten, der Kandidatin.
Die Chance war da, bei dieser Wahl groß rauszukommen. Daraus wird nun nichts. Dann halt beim nächsten Mal. Wenn die Grünen sich nicht verlieren.
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