Bodo Ramelow über die Antifa: "Es kotzt mich an, wie arrogant ihr seid"
Bodo Ramelow hat der Antifa wegen einer geplanten Demo im Wohnort des AfD-Politikers Björn Höcke Nazi-Methoden vorgeworfen. Das hatte nun ein Nachspiel.
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow hat bei einem Auftritt in Halle Nerven gezeigt und sich einen verbalen Schlagabtausch mit der Antifa geliefert. Im Internet ist ein Video zu sehen, in dem der Linken-Politiker deutliche Worte findet: "Es kotzt mich an, wie arrogant ihr seid", sagt er zu den linken Autonomen. "Das ist so eine intolerante Aktion!".
Als der Regierungschef bemerkte, dass er mit einem Handy aufgenommen wurde, griff er danach, berichtete die Nachrichtenagentur dpa. An dieser Stelle endet der Film abrupt.
Zuvor hatte Ramelow auf Twitter einen geplanten Antifa-Aufmarsch im Wohnort des AfD-Landeschefs Björn Höcke im Ort Bornhagen im Eichsfeld scharf verurteilt. "Das gehört sich nicht! Das sind Nazi-Methoden. Warum begeben sich diese Leute auf das Niveau von Rassisten?", schrieb der Linken-Politiker in dem Kurznachrichtendienst.
Er ergänzte dort: "Vor Privathäusern von Politikern zu demonstrieren geht gar nicht. Egal von wem und gegen wen! Zweck heiligt nicht die Mittel!" Und: Die Methode bleibe NSDAP-Methode und sei tabu. Wer keine Mahnwachen vor Privathäusern wolle, müsse es selber lassen.
Aufgenommen wurde die Szene am Samstag im Stadthaus von Halle. In Sachsen-Anhalt wurde der mitteldeutsche Inklusionspreis "Mosaik" vergeben, Ramelow trat dort gemeinsam mit dem Sänger Sebastian Krumbiegel von den "Prinzen" auf. Der Inklusionspreis zeichnet Menschen aus, die sich für die Einbeziehung Behinderter ins gesellschaftliche Leben einsetzen. Dieses Forum nutzten Autonome, um ihre Parolen zu propagieren.
Ramelow: Video zeigt die "reine Täterperspektive"
Die Agentur dpa verbreitete das Video am Sonntagabend. Ramelow warf der Agentur vor, das Video der Aktion in Halle "ohne Überprüfung" in ihre Meldung eingebunden zu haben - und sich bei der Darstellung der Geschehnisse die "reine Täterperspektive" zu eigen gemacht zu haben. "Die Beleidigungen vorher wurden weggelassen und das Anschleichen auch", sagte er dem Tagesspiegel. Das Vorgehen der Autonomen in Halle verglich der Linke-Politiker mit Aktionen der NPD. Ziel der Antifa sei gewesen, Bilder ohne sein Wissen zu produzieren.
Ramelows Sprecher hatte zuvor erklärt: "Einige haben das Gastrecht der Veranstalter missbraucht, um den Ministerpräsident in inakzeptabler Weise zu belästigen. Das hatte schon Überfall-Charakter."
Nach Darstellung auf einer Webseite der Antifa hat Ramelow versucht, "jemanden das Telefon zu entreißen, mit dem er bei seinen Tiraden gefilmt wurde". Erst als seine Bodyguards dazwischen gegangen seien, habe er schließlich vom Telefon abgelassen.
Ramelow stellt den Vorgang anders dar: Seine Bodyguards seien gar nicht im Bild gewesen und hätten ihn demnach auch nicht beruhigen müssen. Es sei auch "Quatsch", dass er versucht habe, dem Aktivisten das Handy zu entreißen. Er habe lediglich "die Hand vor die Linse gehalten", anschließend habe der Mann es heruntergenommen.
Zu dem Protest in Höckes Wohnort am Himmelfahrtstag hatten im Internet Vereinigungen wie "Antideutsche Aktion Berlin" und "Antifaschistische Gruppen Halle" aufgerufen. "Vermiesen wir dem Thüringer AfD-Häuptling und seinem Wahlvolk durch unsere bloße Anwesenheit ihr Himmelfahrtsvergnügen und sagen: Go straight to Hell!" Vertreter der Antifa beteuerten später, die Demonstration solle gar nicht direkt zum Wohnhaus von Höcke führen. Linke Aktivisten kritisierten Ramelow für seinen Nazi-Vergleich hart.
Ramelow verteidigte im Gespräch mit dem Tagesspiegel seine Kritik an dem Aufmarsch in Höckes Wohnort Bornhagen. Es handele sich um eine "beschissene Aktion, unerträglich". Der gesamte Ort solle, nur weil der AfD-Landesvorsitzende dort wohne, als "braunes Kaff" verunglimpft werden, obwohl es dort "Leute gibt, die sich vorbildlich um Flüchtlinge kümmern". Ein ganzes Dorf werde so an den Pranger gestellt. Wer solch eine Sprache benutze, wolle die Menschen nicht erreichen, sagte Ramelow. Es gehe ihm ausdrücklich nicht darum, die Antifa mit der Barbarei der Nazis gleichzusetzen. Er bleibe aber bei seiner Feststellung, dass die Antifa mit Mahnwachen vor Privathäusern deren Methoden benutze.
Sebastian Krumbiegel verteidigt Ramelow
Sebastian Krumbiegel, der in Halle dabei war, verteidigte Ramelow. Auf die Frage, ob der thüringische Ministerpräsident aus der Rolle gefallen sei, sagte der Musiker dem MDR: "Ehrlich gesagt: nicht. Ich habe eher sogar gedacht, da ist mal einer, der Klartext redet und der nicht versucht, sich hinter irgendwelchen Formulierungen zu verstecken. Und ich hab seine Wut verstanden. Ich fand es erst einmal auch unangemessen bei dieser Veranstaltung, bei der es wirklich um behinderte Menschen geht, diese Veranstaltung zu missbrauchen dafür. Deswegen habe ich Herrn Ramelow da schon verstanden."
"Es wirkt auf mich mutig und prinzipienfest, sich mit Teilen seiner Klientel anzulegen", sagt auch der Jenaer Politikwissenschaftler Torsten Oppelland. Das Anliegen, bestimmte Methoden der Auseinandersetzung nicht zuzulassen, sei Ramelow offenbar so wichtig, dass er dafür sogar Beifall aus der rechten Ecke in Kauf nehme, analysiert der Wissenschaftler im Gespräch mit dpa. Ramelow müsse sich auch bewusst sein, dass gerade für die Antifa die Verwendung des Begriffs "Nazi-Methoden" die höchste Stufe der Provokation sei. Und: Zumindest Teile der Linken hätten eine gewissen Nähe zu Antifa-Gruppen.
Thüringen-Linke wirft Antifa "miese Methoden" vor
Auch die Linkspartei in Thüringen nahm Ramelow in Schutz. Die Landesvorsitzende Susanne Hennig-Wellsow schrieb nach der Kontroverse in Halle auf Facebook: "Bodo Ramelow ist bekanntermaßen Mitglied im Verein für deutliche Aussprache. Er tritt mit offenem Visier für seine Überzeugungen ein und schreckt auch nicht vor zugespitzten Kontroversen zurück. Dafür ist er bekannt, dafür wurde er gewählt – und davon sollte er auch als Ministerpräsident nicht abrücken."
Hennig-Wellsow erklärte weiter: "Wir alle kennen Bodo Ramelow als überzeugten Kämpfer gegen Rechtsextremismus, gegen Antisemitismus und Rassismus." Er setze sich für eine humane Flüchtlingspolitik, für eine Kultur des Willkommens, für klare Kante gegen Rechts, gegen Geheimdienste und für eine aktive Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus ein. "Ihm anderes zu unterstellen, ist eine Verleumdung. Aufgabe von Antifaschisten ist es nicht, mit miesen Methoden einen linken Ministerpräsidenten zu bedrängen, an den Pranger zu stellen und ihn öffentlich zu diffamieren, sondern sich der kritischen Debatte zu stellen und das gemeinsame Ziel nicht aus den Augen zu lassen."
Kritik an Ramelow wegen seines Nazi-Vergleichs hatte es vor einigen Tagen auch aus der Linkspartei gegeben. Der stellvertretende thüringische Landesvorsitzende Stefan Dittes sagte der "Thüringer Allgemeine", die Kritik an der Demonstration könne er teilweise nachvollziehen. Allerdings halte er die Wortwahl für "ungeeignet". Der Begriff "Nazi-Methoden" stehe heute für die Verbrechen der NS-Herrschaft insgesamt und könne nicht in diesem Kontext vergleichend verwendet werden. Linke-Landeschefin Hennig-Wellsow vermied damals noch eine Bewertung. "Ich sage nichts dazu", erklärte sie der Zeitung.
Lob für Ramelow von der AfD
Der Thüringer AfD-Chef Höcke hatte Ramelow in der rechten Zeitung "Junge Freiheit" für seine Aussagen zur Antifa gelobt. "Über die politischen Grenzen hinweg müssen die demokratischen Kräfte Herrn Ramelow dankbar dafür sein, dass er die kriminellen Methoden der Antifa schonungslos offengelegt hat." Die stellvertretende AfD-Bundesvorsitzende Beatrix von Storch schrieb auf Twitter: "Bodo Ramelow hat Recht: Die Antifa hat Demokratie nicht verstanden."
Im August vergangenen Jahres hatten die CDU-Politiker Jens Spahn und Erika Steinbach der Antifa vorgeworfen, die gleichen Parolen wie die NPD zu verwenden - Anlass waren damals Auseinandersetzungen um ein Willkommensfest für Flüchtlinge im sächsischen Heidenau. "Antifa dasselbe in rot wie NPD. Gewalttätige Antidemokraten!", erklärte Steinbach damals auf Twitter.
In Tröglitz im sachsen-anhaltischen Burgenlandkreis war vor einem Jahr Ortsbürgermeister Markus Nierth zurückgetreten, weil die NPD eine Demonstration angemeldet hatte, die bis vor sein Wohnhaus führen sollte.