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Tausende mussten vor den Kämpfen um die abtrünnige Region Tigray fliehen. Viele haben Schutz im Sudan gefunden.
© Mohamed Nureldin Abdallah/Reuters

Flüchtlinge in der äthiopischen Region Tigray: "Es gibt weder Trinkwasser noch Sicherheit"

Um die äthiopische Region Tigray wurde heftig gekämpft. Ein Gespräch mit Chris Melzer vom UN-Flüchtlingshilfswerk über Not, Camps und Banditen.

Äthiopiens Führung unter Premier und Friedensnobelpreisträger Abiy Ahmed hatte Anfang November eine Militäroffensive gegen die Volksbefreiungsfront von Tigray begonnen, die in der gleichnamigen Region an der Macht war. Hintergrund des Konflikts sind Spannungen zwischen Tigray und der Zentralregierung. Es geht vor allem um politischen Einfluss und Landbesitz. Addis Abeba hat zwar die Intervention für beendet erklärt, es gibt aber nach wie vor Kämpfe. Mehr als 55.000 Menschen flohen nach UN-Angaben ins Nachbarland Sudan geflohen, fast Hunderttausend sind innerhalb Äthiopiens auf der Flucht. Ein Gespräch über die Not vor Ort.

Chris Melzer ist Sprecher des UN-Flüchtlingshilfswerks in Deutschland und derzeit in Äthiopien im Einsatz.

Herr Melzer, Sie sind derzeit als Vertreter des UN-Flüchtlingshilfswerks im äthiopischen Tigray. Wie muss man sich die Situation dort vorstellen?
Die Region wird durch einen Fluss geteilt. Wie es südlich des Gewässers aussieht, das wissen wir. Da gibt es zwei Flüchtlingscamps, die jetzt nach zwei Monaten wieder für uns zugänglich sind. Die Situation dort ist sehr schlecht. Es gab zwar keine Kämpfe, aber die Menschen waren wochenlang von jeder Versorgung abgeschnitten. Sie hatten weder Lebensmittel noch sauberes Wasser oder Medikamente. Durchfallerkrankungen sind weit verbreitet, vor allem unter Kindern. Und die Flüchtlinge werden oft Opfer von Kriminalität.

Und nördlich des Flusses?
Über das Schicksal der Menschen dort wissen wir praktisch nichts. Wir können die Gegend seit zwei Monaten nicht betreten und sind extrem besorgt. Ein Konvoi mit Lebensmitteln musste umkehren.

Warum wird dem UN-Flüchtlingshilfswerk der Zugang verwehrt?
Es gibt bei den äthiopischen Behörden Sicherheitsbedenken.

Womit haben die Flüchtlinge in den beiden südlichen Lagern zu kämpfen?
Neben fehlendem Trinkwasser und Nahrungsmitteln ist vor allem die Sicherheit ein großes Problem. Die Camps mit ihren insgesamt gut 53.000 Bewohnern sind nachts nicht bewacht. Das nutzen kriminelle Banden aus.

Inwiefern?
Wir haben 150 Flüchtlinge ausführlich befragt. Fast alle berichteten über bewaffnete Gruppen, die ihnen das Wenige wegnehmen, das sie überhaupt noch haben. Viele Flüchtlinge sind deshalb aus den Lagern wieder geflohen.

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Die Vereinten Nationen können die Menschen nicht schützen?
Wir können versuchen, mit dem Welternährungsprogramm als unserem Partner die Flüchtlinge mit dem Notwendigsten zu versorgen. Wir können uns auch bemühen, dass die Schulen wieder geöffnet werden. Doch in Sachen Sicherheit sind uns die Hände gebunden. Dafür reichen unser Mandat und unsere Mittel nicht aus. Das ist immer die Sache des betreffenden Landes.

Ärmliche Verhältnisse. In den Flüchtlingscamps haben Zehntausende eine behelfsmäßige Bleibe gefunden.
Ärmliche Verhältnisse. In den Flüchtlingscamps haben Zehntausende eine behelfsmäßige Bleibe gefunden.
© Chris Melzer

Wird in Tigray noch gekämpft?
Im Süden der Region Berichten zufolge nicht. Was im Norden passiert, wissen wir einfach nicht. Es ist aber von Kämpfen die Rede.

Hoffen die Menschen, in ihre Dörfer zurückkehren zu können, die sie wegen des Kriegs verlassen mussten?
Man muss zwei Flüchtlingsgruppen unterscheiden. Da sind zum einen die Menschen aus Eritrea. Die wollten einem repressiven Regime entkommen und sehen keine Perspektive in ihrer Heimat. Zum anderen gibt es Hunderttausende Äthiopier, die in ihrem eigenen Land durch die jüngsten Gefechte vertrieben wurden. Die wollen lieber heute als morgen zurück.

Chris Melzer arbeitet für das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen.
Chris Melzer arbeitet für das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen.
© UNHCR

Viele Tigray-Flüchtlinge haben Schutz im Sudan gefunden. Was ist über deren Schicksal bekannt?
Schätzungsweise 57.000 Menschen sind in das Nachbarland geflohen. Die sudanesische Regierung hat auch die Grenze geöffnet und dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen gestattet, Camps zu errichten. Das läuft unserer Einschätzung nach recht gut. Aber das ändert nichts an der Tatsache: Ein Flüchtlingsleben ist ein Flüchtlingsleben. (Das Interview wurde telefonisch geführt.)

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