Ramelow zur Thüringen-Einigung: „Es gibt keinerlei Vereinbarung mit der CDU“
Der frühere Ministerpräsident Ramelow geht davon aus, mit absoluter Mehrheit wiedergewählt zu werden. Woher die fehlenden Stimmen kommen sollen, lässt er offen.
Der frühere Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) rechnet fest mit seiner Wiederwahl im Erfurter Landtag. „Ich gehe fest davon aus, dass ich am 4. März im ersten Wahlgang ausreichend Stimmen aus den demokratischen Fraktionen erhalte, ohne auf AfD-Stimmen angewiesen zu sein“, sagte er der „Thüringer Allgemeinen“. „Diese Sicherheit habe ich in vielen individuellen Gesprächen gewonnen, die ich mit Abgeordneten anderer demokratischer Fraktionen führte.“
Ramelow stellte zugleich klar, dass es keine entsprechenden Zusagen der CDU-Fraktion gebe. Linke, SPD und Grüne hätten am Freitag mit der Union nur die „inhaltliche Grundbasis“ einer stabilen Regierung bis zu Neuwahlen besprochen. „Es gibt keinerlei Vereinbarung mit der CDU, dass deren Fraktion mich wählt.“ Darüber sei nicht einmal geredet worden.
Ramelow: „Verhandlungspartner dürfen nicht in Widerspruch zu ihren Beschlüssen gebracht werden“
Ramelow äußerte Verständnis für die Situation der Thüringer Union. „Ich habe immer betont, dass auch unsererseits die Verhandlungspartner nicht in Widerspruch zu ihren Beschlüssen gebracht werden dürfen“, sagte er. Dies sei die Geschäftsgrundlage der Vereinbarungen vom Freitag gewesen. „Jeder musste doch mit der Nase im Gesicht aus der Tür rauskommen“, erklärte er. „Forderungen meiner Parteivorsitzenden Susanne Hennig-Wellsow, dass die CDU-Fraktion vier Stimmen garantieren müsste, wurden von ihr ausdrücklich wieder zurückgenommen.“
Die in der deutschen Landespolitik bisher einmalige Vereinbarung zwischen Linke, SPD, Grünen und CDU in Thüringen stößt in großen Teilen der CDU auf heftige Kritik. Friedrich Merz, einer der möglichen Bewerber um den CDU-Vorsitz, kritisierte seine Parteifreunde in Thüringen scharf.
„Die Entscheidung der CDU in Thüringen, Herrn Ramelow zum Ministerpräsidenten auf Zeit mitzuwählen, beschädigt die Glaubwürdigkeit der CDU in ganz Deutschland“, sagte Merz. „Die CDU in Thüringen hätte sich von Anfang an niemals auf den verächtlichen Umgang mit unserer Demokratie durch die AfD einlassen dürfen.“
Auch CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak kritisierte die Entscheidung in Thüringen. Er lehne die Wahl eines linken Ministerpräsidenten Bodo Ramelow in Thüringen mit Hilfe der CDU ab, sagte er in einem Statement. Die Linke sei zwar nicht zu vergleichen mit der AfD, dennoch sei man beim Parteitag der Christdemokraten zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Zusammenarbeit mit beiden Parteien für die CDU nicht möglich ist.
Er könne bis heute nicht verstehen, sagte Ziemiak, warum eine Expertenregierung nicht der richtige Weg gewesen wäre um aus der politischen Krise zu kommen. „Wer Herrn Ramelow als Kandidaten der Linken zum Ministerpräsidenten wählt, verstößt gegen die Beschlüsse der CDU.“
Neben strikter Ablehnung einer Zusammenarbeit steht auch der Vorschlag im Raum, innerhalb der CDU-Fraktion in Thüringen auszulosen, welche Abgeordneten bei der Ministerpräsidentenwahl am 4. März für Ramelow stimmen sollen.
Der Berliner CDU-Landesvorsitzende Kai Wegner schrieb auf Twitter, die Wahl eines Linken zum Ministerpräsidenten sei eine „historische Dummheit“. Einen Tabubruch könne man nicht durch einen anderen korrigieren. Die CDU in Thüringen sei „auf dem Weg, ihren Kompass zu verlieren“.
Ein weiterer entschiedener Gegner des Kompromisses ist Gesundheitsminister Jens Spahn, der um den Vorsitz der CDU kandidieren möchte.
Auf Twitter schrieb Spahn am Samstagvormittag, dass er eine Wahl von Bodo Ramelow durch die CDU ablehne. „Wir sind als Union in einer Vertrauenskrise. Die letzten Wendungen aus Thüringen kosten weiteres Vertrauen. Es geht jetzt um die Substanz unserer Partei - nicht nur in Thüringen.“
Und weiter argumentierte das Mitglied des CDU-Präsidiums: „So schwierig die Lage für unsere Kollegen vor Ort in Thüringen ist: Nachdem die Suche einer überparteilichen Persönlichkeit gescheitert ist, hilft kein weiteres Taktieren. Ich sehe einen Weg nach vorne nur in zügigen Neuwahlen. Da müssen wir dann zusammen mit aller Kraft kämpfen.“
Der Bundestagabgeordnete Matthias Hauer aus Essen sprach sich am Samstagmorgen auf Twitter gegen eine Wahl Ramelows durch CDU-Abgeordnete aus.
Er äußerte die drastische Forderung, dass „wer ein #CDU-Mandat dazu missbraucht, um einen Linken - gegen klare Parteitagsbeschlüsse - zum MP zu wählen“ aus der Partei ausgeschlossen werden sollte. Seine Partei setze Links- und Rechtsradikale nicht gleich, verhelfe aber beiden nicht zur Macht.
Ganz anders sieht das Thüringens Ex-Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU). Sie hält die Vereinbarung zwischen Linke, SPD, Grünen und CDU in Thüringen für tragfähig.
„Sie sichert eine verlässliche Wahl von Bodo Ramelow zum Ministerpräsidenten durch eine hinreichende Zahl an Stimmen“, sagte Lieberknecht am Samstag der Deutschen Presse-Agentur in Erfurt. Zudem gebe es Stabilität im Regierungshandeln „für eine überschaubare Zeit bis zur Neuwahl“.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer sagte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung": „Die Politik in Thüringen hat die Deutschen jetzt schon lange genug mit ihrem Unvermögen zu politischer Vernunft beschäftigt. Jeder weiß, wie die CDU zur Unterstützung eines Ministerpräsidenten der Linke steht. Ich halte das vereinbarte Vorgehen für falsch. Niemand andres als die Wähler in Thüringen werden darüber in einem Jahr ein Urteil sprechen.“
Verbindliche Zusammenarbeit zwischen CDU und Rot-Rot-Grün in Thüringen
Linke, SPD und Grüne hatten sich am Freitagabend mit der CDU auf eine Ministerpräsidentenwahl am 4. März geeinigt. Die Neuwahl des Parlaments soll am 25. April 2021 erfolgen. Bis dahin soll es eine verbindliche Zusammenarbeit zwischen CDU und Rot-Rot-Grün bei verschiedenen Projekten geben - darunter dem Haushalt für das kommende Jahr.
„Damit ist auch kein Gesetz gegen Grundüberzeugungen der CDU möglich“, sagte Lieberknecht. Ihre Partei werde die Zeit bis zur Neuwahl nutzen, „um mit neuer personeller Aufstellung verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen“.
Lieberknecht wollte den von Landespolitikern als „historisch“ bezeichneten Kompromiss weder Duldung noch Tolerierung nennen. Es gehe um die Zusammenarbeit einer Minderheitsregierung mit einer konstruktiven Opposition, sagte sie. „Das ist eine realpolitische Lösung. Es gibt gute Gründe dafür.“
Ein Losverfahren ist eine Option
Das Wahlverhalten der CDU in der Landtagssitzung am 4. März, in der Bodo Ramelow zum Ministerpräsidenten gewählt werden soll, war im Anschluss an die Gespräche am Freitagabend zunächst unklar geblieben. Der stellvertretende CDU-Landeschef Mario Voigt sagte vor Journalisten zu dem in der CDU geltenden Verbot einer Zusammenarbeit sowohl mit der AfD als auch der Linken, „der Grundsatzbeschluss steht“.
Der Thüringer CDU-Abgeordnete Volker Emde sagte am Samstag der AFP, es gebe „verschiedene Möglichkeiten“, wie sich die CDU am 4. März verhalten könnte.
Er verwies auf die erste Wahl Anfang Februar, als Ramelow im dritten Wahlgang zwei Stimmen mehr bekommen hatte als das rot-rot-grüne Lager hat. Zudem hatte es bei der Abstimmung eine Enthaltung gegeben. Es gibt Mutmaßungen, dass diese Stimmen aus der CDU kamen. Es sei auch ein Losverfahren in der CDU-Fraktion über das Abstimmungsverhalten der einzelnen Abgeordneten denkbar, sagte Emde weiter.
Emde machte zudem deutlich, dass die Erfurter Einigung nicht mit der Bundes-CDU abgesprochen sei. „Ich finde nicht, dass wir dafür eine Genehmigung der Bundes-CDU brauchen“, sagte er AFP. "Wir gehen unseren eigenen Weg."
Fraktion will Ramelow nicht aktiv mitwählen
Weiter schrieb die Thüringer Landtagsfraktion der CDU auf Twitter: "...die CDU-Fraktion im Thüringer Landtag wählt Bodo Ramelow nicht aktiv als Ministerpräsidenten mit. Die CDU-Fraktion im Thüringer Landtag nimmt das gestrige Verhandlungsergebnis mehrheitlich zustimmend zur Kenntnis. Mit der Bundesvorsitzenden hatte die CDU-Fraktion besprochen, dass sie sich stabilen Verhältnissen nicht verweigern wird und Angebote von anderen für eine stabile Situation annehmen wird. Daran fühlen wir uns gebunden."
Nach einem Parteitagsbeschluss der CDU soll es weder eine Zusammenarbeit mit der AfD noch der Linken geben. Lieberknecht: „Das war sicher auch richtig. Aber in den ostdeutschen Ländern gibt es andere Verhältnisse.“ Im Thüringer Landtag stelle die Linke die stärkste Fraktion, die AfD die zweitstärkste.
Lieberknecht hatte nach ihrer Absage als mögliche Interimsministerpräsidentin bis zu schnellen Neuwahlen ihrer Partei ein Zugehen auf die Linke empfohlen. (Tsp, AFP, dpa)
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