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EU-Haushaltskommissar Oettinger hält mehr Ausgaben für den EU-Außengrenzenschutz für geboten.
© Wiktor Dabkowski/dpa

Die EU und Italien: Es bröckelt weiter

Das Wahlergebnis in Italien zeigt: Der Wählerschwund bei den "klassischen" Volksparteien in der EU geht weiter. Nach der Europawahl 2019 rechnet EU-Kommissar Oettinger mit einem instabilen Europaparlament.

Es glich einer Kampfansage, was der Chef der rechtsextremen Lega, Matteo Salvini, nach der Parlamentswahl in Italien zu sagen hatte. „Über Italien entscheiden die Italiener“, sagte der 44-Jährige, „nicht Berlin, nicht Paris, nicht Brüssel“. Was sich einerseits wie eine Selbstverständlichkeit anhört, wirft dennoch ein Schlaglicht darauf, dass die Beziehungen zwischen der EU und Italien demnächst schwieriger werden könnten.

Salvinis Lega-Partei gehört in Italien genauso zu den Wahlsiegern wie die Fünf-Sterne-Bewegung des 31-jährigen Luigi Di Maio. Sowohl die Lega als auch die Fünf-Sterne-Bewegung haben bei den Wählern mit EU-skeptischen und populistischen Programmen gepunktet. Damit ist auch in Italien bei der Parlamentswahl das eingetreten, was man in Ansätzen bei der Bundestagswahl in Deutschland und vor allem bei der Präsidentschaftswahl in Frankreich im vergangenen Jahr registrieren konnte: Die Erosion der „klassischen“ Volksparteien.

Die Vermutung, dass dieser Prozess auch bei der Europawahl im Mai 2019 weitergeht, äußerte EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger (CDU) am Montagabend in Berlin bei einer Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung. „Das Parlament wird eher instabil“, sagte Oettinger mit Blick auf die künftige Zusammensetzung des Europaparlaments. Bereits bei der letzten Europawahl hatten rechtsorientierte und populistische Parteien 2014 stark zugelegt, insbesondere in Frankreich und Großbritannien. Auch in Deutschland gelang der AfD seinerzeit der Einzug in die Straßburger Abgeordnetenkammer.

In Rom droht eine längere Hängepartie

Nun steuert Italien erst einmal auf eine längere Hängepartie zu, an deren Ende theoretisch auch jenes Szenario eintreten könnte, das aus Sicht der EU die schlechteste Variante darstellen würde: eine „große Koalition“ der Populisten der Fünf-Sterne-Bewegung und der Lega-Partei. In Brüssel verfolgt EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker aufmerksam die Entwicklung in Italien, erklärte sein Sprecher am Dienstag.

Zwar ist die Lage in dem europäischen Gründungsstaat bei der turnusgemäßen Sitzung der EU-Kommission an diesem Mittwoch kein regulärer Tagesordnungspunkt. Aber Frans Timmermans, der Vizechef der Kommission, sagte der französischen Zeitung „Le Figaro“, dass sich angesichts des Wahlausgangs die Frage stelle: „Wie können wir die Demokratie neu erfinden, damit sich die Europäer wohl dabei fühlen?“ Mit dem Wahlergebnis komme auch „eine italienische Enttäuschung gegenüber Europa“ zum Ausdruck, lautete die Analyse von Timmermans.

Enttäuschung über die EU-Flüchtlingspolitik

Am deutlichsten zeigt sich diese Enttäuschung dabei angesichts der Flüchtlingspolitik der EU. Janis Emmanouilidis von der Brüsseler Denkfabrik European Policy Centre (EPC) ist der Ansicht, dass sich das Wahlergebnis auch mit dem Versagen der EU-Partner erklären lässt. Einerseits hätten EU-Länder wie Deutschland im Verlauf der Migrationskrise erst reagiert, als sie ab 2015 selbst von den hohen Flüchtlingszahlen betroffen waren, sagt der Experte im Rückblick. Und andererseits herrsche in Italien auch Enttäuschung angesichts der aktuellen Weigerung mittel- und osteuropäischer Staaten, sich an einer EU-weiten Verteilung von Flüchtlingen zu beteiligen.

Experte: Merkel und Macron müssen reagieren

Emmanouilidis geht davon aus, dass es in Rom demnächst zu einer Regierungsbeteiligung entweder der Lega-Partei oder der Fünf-Sterne-Bewegung kommt – sofern nicht Neuwahlen angesetzt werden. Sowohl die Lega als auch die Fünf-Sterne-Bewegung hatten sich im Wahlkampf für eine deutliche Begrenzung der Flüchtlingszahlen ausgesprochen. Für den Fall, dass die Lega oder die Fünf-Sterne-Bewegung demnächst ans Ruder kommen, hält Emmanouilidis eine Neujustierung der von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron geplanten Reform-Agenda für sinnvoll. „Um Italien an Bord zu bekommen, sollten Merkel und Macron in ihre Agenda, die sich bislang auf die Währungsunion konzentriert, auch die Migrationsthematik aufnehmen“, schlägt er vor.

EU-Kommission schlägt mehr Geld für Schutz der EU-Außengrenzen vor

Derweil dürfte die EU mit Blick auf den weiterhin hohen Migrationsdruck in ihrer künftigen Haushaltsperiode ab 2021 zur Sicherung der Außengrenzen mehr Geld ausgeben als bisher. Die EU-Kommission schlägt vor, in der künftigen Sieben-Jahres-Periode für diesen Aufgabenbereich acht bis zehn Milliarden Euro statt wie bisher vier Milliarden Euro zu veranschlagen. Auch über eine neue Aufstellung des EU–Grenzschutzes wird diskutiert. „Die Grenzbeamten am Frankfurter Flughafen sollten mittelfristig der EU-Grenzschutzagentur Frontex unterstellt werden“, sagt Daniel Caspary, der Vorsitzende der CDU/CSU-Abgeordneten im EU-Parlament.

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