Politbarometer nach Köln: Erstmals Mehrheit gegen Flüchtlingspolitik von Angela Merkel
60 Prozent der Deutschen meinen, dass die hohe Zahl an Flüchtlingen nicht zu verkraften ist. Im ersten Politbarometer nach den Übergriffen von Köln verschlechtert sich die Stimmung für die Union, die AfD liegt bei elf Prozent.
Immer mehr Deutsche sind unzufrieden mit der Flüchtlings- und Ausländerpolitik der Bundesregierung und vor allem der Kanzlerin. Die Stimmung unter den Bürgern ist derzeit nicht gut für Angela Merkel und die Union. Deren Zustimmungswerte haben im Januar, nach den Silvester-Ereignissen von Köln, deutlich abgenommen.
Das zeigt das aktuelle Politbarometer im Auftrag von ZDF und Tagesspiegel. Demnach würde die Union auf 37 Prozent abrutschen, wäre am Sonntag Bundestagswahl - ein Minus von zwei Prozentpunkten im Vergleich zur Dezember-Umfrage. Dieser Projektion der Forschungsgruppe Wahlen liegt ein deutlicher Stimmungseinbruch bei CDU und CSU zugrunde, den die Demoskopen gemessen haben. Merkel wird von allen Befragten nochmals deutlich kritischer beurteilt als in den Monaten zuvor und kommt nun, auf der Skala von plus fünf bis minus fünf, auf einen Wert von 1,0.
Unions-Anhänger fallen nicht ab
Allerdings fielen die Urteile für fast alle der zehn Spitzenpolitiker, die im Politbarometer bewertet wurden, schlechter aus als im Dezember – auch die von Merkel-Kritiker Wolfgang Bosbach, der auf einen Wert von 1,7 kommt (nach 1,9 im Vormonat). Merkel fiel um 0,7 Punkte zurück. Einzig CSU-Chef Horst Seehofer, der seit Wochen gegen die Kanzlerin auftritt, konnte sich leicht von 0,4 auf 0,7 verbessern. Bemerkenswert ist allerdings, dass Merkel beiden Unions-Anhängern weniger stark einbricht – sie kommt hier auf 3,1 nach 3,6 im Dezember.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble kommt bei den Anhängern seiner Partei auf 3,3 und schneidet damit keineswegs deutlich besser ab als die CDU-Chefin. Seehofer legt bei den Unions-Anhängern bei 1,5, Bosbach bei 2,4. Daraus lässt sich schließen, dass Merkel und ihre Flüchtlingspolitik zwar in der Gesamtbevölkerung kritischer gesehen werden (darunter möglicherweise auch bei bisherigen Nichtwählern), nicht aber beim eigenen Anhang. Die Bundesregierung insgesamt wird jetzt mit 0,4 bewertet, der schlechteste Wert in dieser Legislaturperiode. Im Dezember waren es 1,1. Allerdings sagen noch immer 62 Prozent, die Regierung mache ihre Arbeit insgesamt gut - im Dezember waren es 71 Prozent.
Ein Drittel ändert Meinung nach Köln
Offenbar politisieren die Kölner Ereignisse die Bürger stark. Ein Drittel der Befragten sagen, dass die Vorfälle in der Silvesternacht ihre Einstellungen in der Flüchtlings- und Asylfrage wesentlich verändert haben. Erstmals ist im Politbarometer nun eine klare Mehrheit von 60 Prozent der Ansicht, dass Deutschland die hohe Zahl an Flüchtlingen nicht verkraften kann. Im Dezember waren es nur 46 Prozent gewesen.
Nur noch 37 Prozent halten momentan den Zuzug für verkraftbar, nachdem dies Ende 2015 noch 51 Prozent der Befragten angenommen hatten. 39 Prozent meinen, dass Merkel ihre Sache in der Flüchtlingspolitik eher gut macht (im Dezember 47 Prozent), 56 Prozent halten die Politik der Kanzlerin jetzt für eher schlecht (Dezember 49 Prozent).
Die größte Zustimmung erhält sie nach wie vor von der Anhängerschaft der Grünen (66 Prozent), aber auch eine Mehrheit in den Reihen der Union (57 Prozent) unterstützt Merkels Kurs. Eine Mehrheit von 57 Prozent aller Befragten ist der Ansicht, dass eine Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen pro Jahr für Deutschland, wie von Seehofer vorgeschlagen, nicht machbar ist.
Profiteurin unter den Parteien ist die Alternative für Deutschland (AfD), deren Anhänger Merkels Politik am deutlichsten ablehnen. Sie käme, wäre am Sonntag Wahl, auf elf Prozent – ein Plus von zwei Prozentpunkten.
Die AfD dürfte dabei vor allem von Zustimmung aus dem Nichtwählerlager profitieren. Die SPD stagniert bei 24 Prozent, die Grünen blieben bei zehn Prozent, die Linke verliert gegenüber der Dezember-Umfrage einen Punkt und käme auf acht Prozent. Die FDP kann leicht zulegen und kommt auf fünf Prozent, erstmals seit langem ist sie damit wieder in dem Bereich, der einen Wiedereinzug in den Bundestag als machbar erscheinen lässt. Auch die FDP-Anhänger sehen Merkels Kurs sehr kritisch.