Abstimmung hat begonnen: Erste Parlamentswahl im Libanon seit neun Jahren
Im Libanon sind am Sonntag 3,6 Millionen Menschen zur Stimmabgabe aufgerufen. Wegen des neuen Wahlgesetzes müssen viele jedoch an abgelegene Orte reisen.
Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen hat im Libanon die erste Parlamentswahl seit neun Jahren begonnen. Die Abstimmung am Sonntag ist beeinflusst vom Krieg im Nachbarland Syrien und dem überregional bedeutsamen Machtkampf zwischen Saudi-Arabien und dem Iran. Angesichts politischer Krisen hatte das libanesische Parlament sein 2013 abgelaufenes Mandat mehrfach eigenständig verlängert. Zwischenzeitlich hatte der Libanon nicht einmal ein Staatsoberhaupt wählen können.
Einige Beobachter halten einen Zuwachs für die vom Iran unterstützte Hisbollah für möglich. Grundsätzlich sehen Experten aber kaum Aussicht auf größere Veränderungen. Denn jeweils die Hälfte der 128 Sitze im Parlament geht an Muslime und Christen in dem multikonfessionellen Staat am Mittelmeer. Allerdings könnten die zügige Bildung einer neuen Regierung und anschließende Reformen für neue Investitionen im Land sorgen und damit die Wirtschaft zumindest stabilisieren.
Der Libanon gilt wegen seiner Mischung von Volksgruppen und Religionen, der Einflussnahme ausländischer Staaten und der großen Zahl von Flüchtlingen im Land als instabil. Die obersten Ämter sind an bestimmte Religionszugehörigkeiten gebunden: Der Präsident muss maronitischer Christ sein, der Ministerpräsident ein Sunnit und der Parlamentspräsident ein Schiit. Die 128 Sitze im Parlament sind ebenfalls auf die religiösen Gemeinschaften aufgeteilt.
Zu den wichtigsten Kräften gehört die Zukunftsbewegung von Ministerpräsident Saad Hariri. Sie hat derzeit die meisten Mandate im Parlament. Einflussreich ist zudem die schiitische Hisbollah, die etwa von den USA als terroristische Vereinigung eingestuft wird und erstmals in den 90er Jahren ins Parlament einzog. Bei der Abstimmung am Sonntag setzen insbesondere unabhängige Kräfte auf einen Einzug ins Parlament. Ob sie Erfolg haben werden, ist aber offen.
Für frischen Wind in den eingefahrenen politischen Strukturen soll auch das nach langem Tauziehen verabschiedete neue proportionale Wahlrecht sorgen. Zudem müssen die Bürger ihre Stimme in dem Bezirk abgeben, aus dem ihre Vorfahren kommen. Das führt dazu, dass sich viele Wähler aus der Hauptstadt Beirut auf den Weg in abgelegene Orte machen mussten. Eine Ergebnis-Prognose ist daher schwierig. Darüber hinaus verbietet das neue Wahlrecht die Erhebung von Prognosen zum möglichen Wahlausgang. Erste, inoffizielle Ergebnisse werden noch in der Nacht erwartet, offizielle Zahlen in den kommenden Tagen.
Vertreter der Zivilgesellschaft und Nichtregierungsorganisationen hatten im Vorfeld Korruption und ausländische Einflussnahme auf die Wahl kritisiert. Im Libanon leben rund sechs Millionen Menschen, wahlberechtigt sind etwa 3,6 Millionen. (mes, dpa, Reuters)
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