Verdacht der Vorteilsannahme: Ermittler in Wulffs Wohnhaus in Großburgwedel
Wegen des Verdachts der Vorteilsannahme gegen den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff haben sich Beamte am Freitagabend zu Ermittlungen im Wohnhaus Wulffs in Großburgwedel aufgehalten.
Die Staatsanwaltschaft Hannover hat am Freitagabend das Haus des zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff in Großburgwedel durchsucht. Die Aktion sei „auf freiwilliger Basis“ verlaufen, es gebe keinen Durchsuchungsbeschluss, sagte ein Sprecher der Behörde der Nachrichtenagentur dpa. Die „Bild“-Zeitung berichtete, es seien Computer sichergestellt worden. Gegen Wulff wird wegen Verdachts auf Vorteilsannahme ermittelt.
Selbst im Fall einer einer rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung kann der Ehrensold des früheren Bundespräsidenten Christian Wulff nicht aberkannt oder beschränkt werden. Dieser Auffassung ist das Bundespräsidialamt. "Dies sieht das Gesetz über die Ruhebezüge des Bundespräsidenten vom 17. Juni 1953 nicht vor", teilte das Amt dem Tagesspiegel mit. "Nur im Falle der Präsidentenanklage nach Artikel 61 Grundgesetz hat das Bundesverfassungsgericht darüber zu entscheiden, ob und in welcher Höhe die in diesem Gesetz vorgesehenen Bezüge weiter zu gewähren sind."
Eine mögliche generelle Absenkung des Ehrensolds könnte künftig allerdings auch Wulff treffen: "Ob und in welcher Weise sich eine künftige Absenkung der Ruhebezüge des Bundespräsidenten auf den Ehrensold bereits ausgeschiedener Bundespräsidenten auswirkt, kann in abstrakter Form nicht vorhergesagt werden. Dies hängt vielmehr von der konkreten gesetzgeberischen Regelung ab", teilte das Bundespräsidialamt mit.
Im Zuge der Wulff-Affäre hat die Staatsanwaltschaft nun das Büro und die Privatwohnung des Filmunternehmers David Groenewold im Berliner Stadtteil Grunewald durchsucht. Dabei wurde umfangreiches Daten- und Aktenmaterial sichergestellt, berichtet die "Bild"-Zeitung. Groenewold soll Wulff mehrere Sylt-Urlaube bezahlt haben, Wulff will die Kosten in bar beglichen haben - angeblich mit Geldgeschenken seiner Schwiegermutter.
Unterdessen haben mehrere liberale und sozialdemokratische Politiker Wulff aufgefordert, auf den Ehrensold zu verzichten. Der FDP-Haushaltspolitiker Jürgen Koppelin sagte im Deutschlandfunk, Wulff könne durch einen solchen Schritt Glaubwürdigkeit zurückgewinnen. Koppelin forderte außerdem, der Haushaltsausschuss des Bundestags müsse über den Ehrensold entscheiden, weil es dabei um Geld der Steuerzahler gehe.
Das SPD-Vorstandsmitglied Heiko Maas forderte Wulff ebenfalls zum Verzicht auf. „Wulff sollte den Ehrensold nicht annehmen. Damit könnte er endlich ein Signal der Einsicht und des Bedauerns senden“, sagte Maas der „Bild“-Zeitung. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Peter Danckert sagte, eigentlich dürfe Wulff schon deshalb keinen Ehrensold erhalten, „weil er nach einer peinlichen Affäre unehrenhaft aus dem Amt geschieden ist. Das Wort Ehrensold ist in seinem Fall völlig Fehl am Platz.“
Das Bundespräsidialamt hatte am Mittwoch mitgeteilt, die rechtlichen Voraussetzungen für die Zahlung des Ehrensoldes seien erfüllt. Wulff sei am 17. Februar „aus politischen Gründen“ zurückgetreten. Laut Gesetz ist bei einem vorzeitigen Ausscheiden allein „aus politischen oder gesundheitlichen Gründen“ die Zahlung eines Ehrensolds vorgesehen. Wulff hatte unter dem Druck staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen wegen des Verdachts auf Vorteilsannahme sein Amt niedergelegt. Dabei geht es um seine Beziehungen zu dem Filmproduzenten David Groenewold. Der Anti-Korruptionsverein „Cleanstate e.V.“ will nach Informationen der „Bild“ Strafanzeige wegen möglicher Untreue gegen den Chef des Bundespräsidialamtes, Lothar Hagebölling, stellen. Cleanstate-Vorstandssprecher Hans-Joachim Selenz sagte, Hagebölling sei ein enger Mitarbeiter Wulffs in Niedersachsen wie auch im Bundespräsidialamt gewesen. „Es hat offensichtlich keine objektive und unabhängige Prüfung bei der Entscheidung der Gewährung des Ehrensolds gegeben.“
Der Staatsrechtler von Arnim sagte der in Hannover erscheinenden „Neuen Presse“, Beamte, die kürzlich noch Untergebene und politische Weggenossen Wulffs waren, hätten nun über den Ehrensold entschieden. „Da stellt sich die Frage ihrer Unbefangenheit.“ Von Arnim verwies zudem darauf, dass im Falle des Ablebens von Christian Wulff dessen Witwe „60 Prozent des Ehrensoldes auf Lebenszeit erhalten“ würde.
Die Mehrheit der Deutschen wünscht sich einer Umfrage zufolge, dass Wulff auf den Ehrensold verzichtet. Laut ARD-Deutschland-Trend sind dies 84 Prozent, nur 15 Prozent befürworten die Zahlung an Wulff. (dpa/afp/reuters)