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Foto des ermordeten Walter Lübcke bei der Trauerfeier
© AFP/Swen Pförtner
Update

Fall Lübcke: Ermittler gehen von „rechtsextremistischem Hintergrund“ aus

Anfang Juni wurde der Kassler Regierungspräsident auf seiner Terrasse erschossen. Das Tatmotiv des Verdächtigen ist wohl Lübckes Engagement für Flüchtlinge.

Die Bundesanwaltschaft geht im Fall des vor zwei Wochen erschossenen Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke von einem rechtsextremistischen Hintergrund bei dem Tatverdächtigen aus. Es gebe aber keine Anhaltspunkte dafür, dass er in eine rechtsterroristische Vereinigung eingebunden gewesen sein könnte, sagte Behördensprecher Markus Schmitt am Montag in Karlsruhe. Wegen der „besonderen Bedeutung“ des Falls habe die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen übernommen.

Der am Wochenende festgenommene 45-Jährige wird demnach verdächtigt, den CDU-Politiker „heimtückisch durch einen Kopfschuss getötet zu haben“. Für einen rechtsextremistischen Hintergrund bei dem Verdächtigen sprächen sein Vorleben sowie öffentlich geäußerte Meinungen und Ansichten, sagte Schmitt.

Nach Informationen des Tagesspiegels handelt es sich bei dem Tatverdächtigen um den Rechtsextremisten Stephan E. Der vorbestrafte Mann ist vermutlich dem Umfeld der militanten Neonazi-Gruppierung Combat 18 zuzuordnen. Nach Informationen des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ soll der Mann zumindest in der Vergangenheit im Umfeld der hessischen NPD aktiv gewesen sein.

Lübcke wurde am 2. Juni auf der Terrasse seines Hauses mit einem Kopfschuss getötet. Seither ermittelt eine mittlerweile 50-köpfige Sonderkommission. Nach dem Ergebnis der rechtsmedizinischen Untersuchung starb Lübcke an einem Schuss aus kurzer Distanz.

Stephan E. soll nach Informationen des Tagesspiegels Lübcke wegen dessen Engagement für Flüchtlinge angegriffen haben. Der Tatverdächtige soll außerdem 1993 an einem Anschlag mit einer Rohrbombe auf ein Flüchtlingsheim beteiligt gewesen sein. Das berichtete „Zeit Online“. Damals war ein brennendes Auto an der Unterkunft im Rheingau-Taunus-Kreis gerade noch rechtzeitig gelöscht worden, bevor der selbst gebastelte Sprengsatz auf der Rückbank detonieren konnte.

Ein Spezialeinsatzkommando hatte Stephan E. in der Nacht zum vergangenen Sonnabend gegen 2 Uhr in Kassel festgenommen. Am Sonntag kam er in Untersuchungshaft. Die Ermittler waren über eine DNA-Spur auf den Rechtsextremisten gekommen. Der Mann ist den Sicherheitsbehörden schon lange bekannt, unter anderem wegen eines Angriffs auf eine Demonstration des Deutschen Gewerkschaftsbundes im Jahr 2009.

Der Regierungspräsident war in der Vergangenheit wegen seiner Haltung zu Flüchtlingen bedroht worden. Er hatte sich 2015 auf einer Informationsveranstaltung gegen Schmährufe gewehrt und gesagt, wer gewisse Werte des Zusammenlebens nicht teile, könne das Land verlassen. Nach dem Tod Lübckes hatten hasserfüllte und hämische Reaktionen aus der rechten Szene im Internet für Empörung gesorgt. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagte, wie sich manche in sozialen Netzwerken geradezu hermachten über dessen Tod, sei „zynisch, geschmacklos, abscheulich, in jeder Hinsicht widerwärtig“.

Rechtsextremistische Hasskommentare im Netz

Die Bundesregierung und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hofften nun, dass so schnell wie möglich geklärt werde, wer Lübcke warum erschossen habe, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. „Davon abgesehen kann man dem Bundespräsidenten nur zustimmen, der neulich sagte, dass die zahlreichen rechtsextremistischen Hasskommentare im Netz nach dem Tod von Herrn Lübcke abstoßend und widerwärtig waren“.

Grüne, FDP, Linke und AfD im Bundestag forderten eine Sondersitzung des Innenausschusses. Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): „Eine Sondersitzung des Innenausschusses ist angesichts der dramatischen und beunruhigenden Entwicklungen im Fall Lübcke unausweichlich.“

Drohungen gegen Politiker nehmen zu

FDP-Innenpolitiker Benjamin Strasser sagte dem RND: „Nach der Übernahme der Ermittlungen des Generalbundesanwalts erwarte ich eine kurzfristige Sondersitzung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages.“ Bereits am Sonntag hatte auch die Linken-Politikerin Martina Renner in einem dpa-Gespräch eine Sondersitzung des Ausschusses ins Gespräch gebracht.

FDP-Politiker Strasser sagte weiter: „Seit Jahren nehmen Drohungen aus dem rechtsextremen Umfeld gegen Politiker und Andersdenkende zu. Die Bundesregierung verweigert schon zu lange, die Strukturen und das Gewaltpotential der rechtsextremen Szene gegenüber dem Parlament konsequent offenzulegen. Wir brauchen entschlossene Aufklärung und wirksame Maßnahmen gegen rechtsterroristische Strukturen.“

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