Bertelsmann-Studie: Erhöht Wählen mit 16 die Wahlbeteiligung?
Laut einer neuen Studie soll "Wählen mit 16" helfen, junge Mensche für die Demokratie zu gewinnen. Nach den Erfahrungen der Politikwissenschaft kommt es auf andere Faktoren an.
Eine Herabsenkung des Wahlalters soll langfristig zu einer höheren Wahlbeteiligung führen. Dies prognostiziert eine am Montag veröffentlichte Studie des Allensbach-Instituts im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung. Die Studie zeigt aber auch, dass die Mehrheit der Deutschen nicht viel von diesem Vorhaben hält. Nur 13 Prozent der Befragten sprachen sich dafür aus, das Wahlalter auf Bundesebene um zwei Jahre zu senken, 80 Prozent lehnten diesen Vorschlag deutlich ab. Dennoch wirbt der Auftraggeber der Studie für ein Stimmrecht schon mit 16 Jahren.
„Wer bei seiner ersten Wahl kein Kreuz setzt, verpasst häufig auch die folgenden Wahltermine“, erklärt Robert Vehrkamp, Direktor des Programms „Zukunft der Demokratie“ bei der Bertelsmann-Stiftung. Andersherum zeige die Wahlforschung, dass motivierte Erstwähler auch künftig zur Urne gingen. Eine Absenkung des Wahlalters könne der Studie zufolge langfristig die seit Jahren sinkende Wahlbeteiligung auf bis zu 80 Prozent erhöhen.
Neben der Wahl mit 16 fordert die Studie auch, Wahlen stärker in den Schulen zu thematisieren. „Schule ist der Ort, wo Erstwähler am Besten begleitet und aktiviert werden können“, so Vehrkamp. Während Jugendliche sich mit 18 oft in einer Umbruchphase befänden, könne man die Jüngeren in der Schule noch viel stärker beeinflussen. Über den Schulunterricht erreiche man zudem auch Kinder aus den Nichtwähler-Milieus.
Die Wahlbeteiligung ist in Deutschland in den letzten Jahren drastisch zurückgegangen. Bei der Bundestagswahl 1998 lag sie noch bei 82,2 Prozent. 2013 gingen nur noch 71,5 Prozent der Stimmberechtigten zur Wahl. Die bisher schlechteste Wahlbeteiligung im Bund wurde dann im Jahr 2009 mit nur knapp 70,8 Prozent erreicht.
Beteiligung steigt traditionell in höherem Alter
Ein Absenken des Wahlalters könne da aber wenig Abhilfe schaffen, meint Politikwissenschaftler Carsten Koschmieder. Er lehrt am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin. Denn die Altersgrenze habe mit der Wahlbeteiligung nichts zu tun. Wenn man sich die Wahlbeteiligung eines Menschen im Laufe seines Lebens anschaue, ergebe sich folgendes Bild: Die Wahlbeteiligung sei am Anfang der „Wählerkarriere“ grundsätzlich noch sehr gering. Sie steige erst ganz allmählich an. Im Alter zwischen 50 und 60 Jahren sei das Interesse zur Wahl zu gehen am höchsten. Mit zunehmendem Alter nehme es wieder ab. Der einzige "Ausbrecher" aus dieser Kurve sei die erste Wahl, die bei vielen noch eine besondere Bedeutung habe.
Je stärker ein Mensch in die Gesellschaft eingebunden sei, umso deutlicher nehme er seine politische Umwelt stärker wahr. „Als Kind beispielsweise zahlt man noch keine Steuern und beschäftigt sich demnach auch nicht mit Fragen der Steuerpolitik. Erst im späteren Erwachsenenalter und mit dem Eintreten in das Erwerbsleben, werden diese Aspekte persönlich relevant“, sagt Koschmieder.
Die Studie argumentiere damit, dass das aufregende Erlebnis der allerersten Wahl stärker zur Geltung käme, wenn es früher passiert. „Die Gründe, warum zu Beginn des Wählerlebens die Wahlbeteiligung so gering ist, würden dadurch aber nicht wegfallen“, sagt Koschmieder. Sie seien im Gegenteil auch dann genauso stark vorhanden. „Die Phase, in der die Wahlbereitschaft sehr gering ist, wäre mit einer Absenkung des Alters auf 16 Jahre einfach nur noch zwei Jahre länger“. Die Gründe, warum die jungen Leute mit 23 weniger wählen gehen als mit 30 oder 40 würden weiterhin gelten. Politikabstinenz sei auch eine ganz natürliche Form im Sozialisationsprozess. Den könne man nicht einfach künstlich vorziehen. Insofern sei dieses Argument nicht schlüssig.
Wahlmüde sind vor allem sozial Schwächere
Die Forderung das Wählen in der Schule einzuüben, sei so trivial wie richtig, sagt Koschmieder. Dafür müsse man aber nicht das Wahlalter absenken. Viel wichtiger sei es, das Thema Wahlen in der Schule intensiver zu behandeln und es auch gesellschaftlich positiver zu besetzen.
Ein Problem, das noch mehr Aufmerksamkeit bekommen müsse, sei die Abhängigkeit der politischen Bildung von den sozialen Verhältnissen des Elternhauses. "Wir beobachten, dass die Wahlbeteiligung abhängig vom Einkommen dramatisch unterschiedlich ist. Die reichen Leute gehen wählen und die Armen gehen - vereinfacht gesagt - fast gar nicht wählen. Das ist ein großes Problem für unsere Demokratie", so Koschmieder. Gerade die sozial Schwächeren seien aber darauf angewiesen, dass die Politik Maßnahmen für sie ergreife.
Der Rückgang der Wahlbeteiligung in den letzten Jahrzehnten betreffe vor allem die unteren Gesellschaftsschichten. Um langfristig eine höhere Wahlbeteiligung zu haben, müsse es deswegen zuerst mehr sozialen Ausgleich geben. Das würde auch die gesellschaftliche Zufriedenheit mit der Demokratie und dem Parteienangebot stärken.
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