Angriffe auf Merkel und Macron: Erdogan nennt europäische Politiker „Kettenglieder der Nazis“
Der türkische Präsident spricht von einer „Lynchkampagne“ gegen Muslime. Zuvor hatte die Bundesregierung Erdogans Angriffe auf Macron verurteilt.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat europäischen Politikern am Montag in Ankara Islamfeindlichkeit vorgeworfen und sie als „Kettenglieder der Nazis“ bezeichnet. „Feindlichkeit gegenüber dem Islam und den Muslimen ist in manchen europäischen Ländern zu einer Politik geworden, die auf Ebene der Staatschefs persönlich ermutigt und unterstützt wird“, sagte er.
Erdogan wirft Europa und insbesondere dem französischen Staatschef Emmanuel Macron seit Tagen Islamophobie vor und zweifelte am Montag, wie schon am Wochenende, die psychische Gesundheit des französischen Präsidenten an.
„Ihr seid im wahrsten Sinne des Wortes Faschisten“, sagte er weiter. „Die Muslime erleben heute eine ähnliche Lynchkampagne, wie sie gegen Juden in Europa zur Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg geführt wurde.“
Die Feindlichkeit gegenüber dem Islam und Muslimen verbreite sich „regelrecht wie eine Pest“ in Europa. Der türkische Präsident kritisierte zudem erneut eine Razzia in einer Berliner Moschee wegen Verdachts auf Corona-Subventionsbetrug.
Erdogan verweist auf die Glaubensfreiheit
„Von hier aus appelliere ich natürlich auch an Kanzlerin Merkel. Bei euch gibt es doch angeblich Glaubensfreiheit? (...) Wie kann es dann sein, dass bei einem Morgengebet mehr als 100 Polizisten die Moschee angreifen?“, sagte Erdogan. In der Türkei könne so etwas nicht passieren, „denn bei uns gibt es wahre Glaubensfreiheit“.
Die Bundesregierung hatte zuvor die Äußerungen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan über Frankreichs Präsident Emmanuel Macron verurteilt. „Das sind diffamierende Äußerungen, die ganz und gar inakzeptabel sind“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin.
Dies sei inakzeptabel, „erst recht vor dem Hintergrund der Mordtat eines islamistischen Fanatikers“ an dem französischen Lehrer Samuel Paty, sagte Seibert dazu weiter.
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Erdogan hatte am Montag auch zu einem Boykott französischer Waren aufgerufen. Grund dafür war gewesen, dass Macron bei einem Staatsakt für den enthaupteten Lehrer Samuel Paty am vergangenen Mittwoch erklärt hatte, Frankreich werde nicht auf Karikaturen und Zeichnungen verzichten, „auch wenn andere sich davon zurückziehen“.
Paty hatte in einem Unterricht über die Meinungsfreiheit Mohammed-Karikaturen des Satiremagazins „Charlie Hebdo“ gezeigt. Ein 18-Jähriger hatte den Lehrer am 16. Oktober auf offener Straße enthauptet.
Maas äußert „großes Verständnis“ für Macron
Eine Sprecherin des Auswärtigen Amts wies darauf hin, dass auch Außenminister Heiko Maas (SPD) „großes Verständnis“ für die Haltung Macrons geäußert habe. Maas hatte die Äußerungen Erdogans zuvor ebenfalls als „völlig inakzeptabel“ bezeichnet.
Wer den Kampf gegen islamistische Extremisten „einfach gleichsetzt mit Rassismus und Islamophobie, der handelt nicht anders als unverantwortlich, und der spielt damit in die Hände derer, die unsere Gesellschaft spalten wollen“.
Der verbale Schlagabtausch fällt in eine Zeit, in der beide Präsidenten unter innenpolitischem Druck stehen. Die ohnehin desolate Wirtschaftslage der Türkei hat sich vor dem Hintergrund der Corona-Krise noch einmal verschärft. Emmanuel Macron wiederum kämpft mit der Frustration vieler Muslime in seinem Land über wirtschaftliche Ausgrenzung einerseits, und der Kritik an einem zunehmendem Kommunitarismus andererseits. (AFP, Reuters, dpa, Tsp)