Türkischer Präsident poltert: Erdogan nennt Deutschland "wichtigen Hafen für Terroristen"
Das deutsch-türkische Verhältnis ist angespannt. Jetzt wirft Präsident Erdogan Deutschland vor, Terrorismus zu unterstützen. Außenminister Steinmeier reagiert scharf.
Nach Kritik von Bundeskanzlerin Angela Merkel hat der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan Deutschland die Unterstützung von Terrorismus vorgeworfen. "Hey Deutschland, sei Dir bewusst, dass diese Terrorplage Euch wie ein Bumerang treffen wird", sagte Erdogan bei einer Zeremonie am Donnerstag im Präsidentenpalast in Ankara. "Wir machen uns Sorgen um Eure Haltung. Im Moment öffnet Ihr dem Terror die Türe." Erdogan fügte hinzu: "Man wird sich zeitlebens an Euch erinnern, weil Ihr den Terror unterstützt habt." Er sehe die Zukunft Deutschlands "nicht positiv".
Erdogan warf der Bundesrepublik vor, seit Jahren Anhänger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, der linksterroristischen DHKP-C und der Gülen-Bewegung zu "beschützen". Die Türkei macht den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen für den Putschversuch gegen Erdogan von Mitte Juli verantwortlich. Erdogan sagte, die Türkei sei besorgt, dass Deutschland "den Schoß für Terroristen öffnet" und zum "Hinterhof" der Gülen-Bewegung werde. "Deutschland ist ein wichtiger Hafen für Terroristen geworden", sagte der Präsident.
Die Bundesregierung wie die neuen Vorwürfe des türkischen Präsidenten in scharfer Form zurück. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte: „Ich kann die Äußerungen Erdogans zur Sicherheitslage Deutschlands überhaupt nicht nachvollziehen.“ Das Verhältnis zwischen beiden Ländern ist seit mehreren Monaten schwer belastet. Auch Bemühungen für einen Türkei-Besuch Steinmeiers blieben bislang ohne Erfolg.
Steinmeier betonte, Deutschland wünsche sich „enge und konstruktive Beziehungen“ zur Türkei. Zugleich gelte aber: „Das darf uns nicht veranlassen, ein Blatt vor den Mund zu nehmen, wenn es um die Gefährdung von Presse- und Meinungsfreiheit geht. Das haben wir nicht getan, und das werden wir auch heute nicht tun.“
Erdogan will keine Lektionen
Recep Tayyip Erdogan verbat sich zugleich jede Einmischung in die türkische Politik. "Unsere inneren Angelegenheiten haben niemanden zu kümmern", sagte er. Merkel hatte die neuerlichen Festnahmen von Journalisten in der Türkei am Mittwoch als alarmierend bezeichnet. Erdogan sagte am Donnerstag unter Beifall seiner Zuhörer: "Seht Euch das an, jetzt erteilen sie uns Lektionen, von wegen wir sind besorgt."
Zudem drohte die Türkei ohne Fortschritte im Streit um die Visumfreiheit den Flüchtlingspakt mit der EU noch vor Ende dieses Jahres aufkündigen. "Unsere Geduld neigt sich dem Ende zu", sagte Außenminister Mevlüt Cavusoglu in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview der "Neuen Zürcher Zeitung". "Wir warten auf eine Antwort (der EU) in diesen Tagen. Wenn die nicht kommt, werden wir die Vereinbarung kündigen." Cavusoglu fügte hinzu: "Wir warten nicht bis Jahresende."
Neue Drohung der Türkei auch im Streit um Visafreiheit
Die Türkei habe auf Forderungen aus Brüssel reagiert und Lösungsvorschläge gemacht, könne aber ihre Anti-Terror-Gesetzgebung nicht ändern, sagte Cavusoglu. "Wir halten uns an die Abkommen mit der EU und erwarten, dass Europa dasselbe tut. Wenn das nicht geschieht, werden wir die Abkommen mit der EU auf diesem Gebiet aussetzen." Auch EU-Minister Ömer Celik drohte mit einem Ende des Abkommens, sollte die EU die Visumpflicht für Türken nicht aufheben.
Die Türkei hat bei dem im März vereinbarten Abkommen mit der EU zugesagt, Flüchtlinge von den griechischen Inseln zurückzunehmen. Im Gegenzug versprach Brüssel der Türkei Milliardenhilfen. Außerdem stellte die EU Ankara Visumfreiheit in Aussicht. Voraussetzung dafür ist aber die Erfüllung von 72 Vorbedingungen, darunter eine Änderung der Anti-Terror-Gesetze. Nach Cavusoglus Angaben sind bis auf diesen Punkt alle weiteren Auflagen erfüllt.
"Interessanterweise müssen immer wir einen Kompromiss eingehen, wir haben bei mehreren Punkten eingelenkt", sagte der Minister. "Beim Terror sehe ich keine anderen Möglichkeiten. Da können wir gegenüber der EU keine Zugeständnisse machen." Alles andere würde "unser Volk als Schwächung der Terrorbekämpfung verstehen". Kritiker werfen der türkischen Führung vor, mit Hilfe dieser Gesetze politische Gegner und unliebsame Journalisten mundtot zu machen.
Celik machte für die ablehnende Haltung in der EU gegen die Visumfreiheit für Türken "rechtsradikale und islamophobe Gruppen" verantwortlich. Bei einem Besuch in Athen kritisierte er zugleich, dass die von der EU versprochenen Finanzhilfen zu langsam flössen. Bis die Mittel in der Türkei ankämen, "werden die syrischen Kinder im Grundschulalter bereits ins Rentneralter gekommen sein". (dpa)
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