Türkei: Erdogan lässt 55 Polizisten festnehmen
In der Türkei wurden ranghohe Polizeibeamte verhaftet. Sie hatten im Umfeld von Regierungschef Recep Tayyip Erdogan wegen Korruption ermittelt.
In einer landesweiten Aktion hat die türkische Justiz am Dienstag mindestens 55 ranghohe Polizeibeamte verhaften lassen. Bei den Festgenommenen handelt es sich überwiegend um Polizisten, die im vergangenen Dezember an Korruptionsermittlungen gegen Politiker der Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan sowie regierungsnahe Unternehmer beteiligt waren. Den festgenommenen Ermittlern werden nach Angaben der Staatsanwaltschaft illegale Abhörpraktiken, Spionage, Urkundenfälschung und Amtsmissbrauch vorgeworfen.
Erdogan holt zum Schlag gegen seine Gegner aus
Damit holt Erdogan wenige Wochen vor der Präsidentenwahl am 10. August, bei der er kandidiert, zu einem Schlag gegen seine Gegner aus. Türkische Medien sehen in den Verhaftungen eine Operation gegen die Organisation des gemäßigten islamischen Exil-Predigers Fetullah Gülen, den Erdogan als Drahtzieher hinter den Korruptionsvorwürfen vermutet.
Die Razzien begannen in den frühen Morgenstunden in 22 türkischen Provinzen. Der Schwerpunkt lag in Istanbul, wo nach Medienberichten 40 Polizeioffiziere festgenommen wurden. In anderen Landesteilen nahmen die Fahnder weitere 15 Beamte in Gewahrsam. Insgesamt seien 134 Haftbefehle ausgestellt worden, davon 76 gegen Polizisten, berichtete der Nachrichtensender CNN Türk.
Polizisten hatten Schmiergeldaffäre untersucht
Unter den Verhafteten sind der frühere Chef der Istanbuler Anti-Terror-Polizei sowie ein ehemaliger Leiter der Abteilung für die Verfolgung von Finanzverbrechen. Er spielte eine Schlüsselrolle bei den Korruptionsermittlungen, in deren Verlauf die Ermittler 50 Haftbefehle erließen, darunter auch gegen einen Sohn Erdogans. Er wurde allerdings nie vollstreckt, weil die Beamten sofort abgelöst wurden.
Bei der Affäre ging es unter anderem um Schmiergelder für rechtswidrige Baugenehmigungen, Bestechungszahlungen bei der Vergabe von Staatsaufträgen und illegale Goldgeschäfte mit dem Iran. Auch Erdogan selbst war in den Strudel des Korruptionsskandals geraten, als im Internet angebliche Mitschnitte von Telefonaten zwischen ihm und seinem Sohn auftauchten, in denen es offenbar darum ging, größere Millionen-Bargeldbeträge verschwinden zu lassen. Erdogan spricht von Fälschungen. Nach dem Bekanntwerden der Korruptionsvorwürfe ließ die Regierung Tausende von Polizisten sowie mehrere Dutzend Richter und Staatsanwälte versetzen. Die Ermittlungen sind inzwischen weitgehend zum Erliegen gekommen.
Gerd Höhler