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Recep Tayyip Erdogan will sich keine Vorschriften machen lassen.
© Adem Altan/AFP

Bis zu einer Million zusätzliche Flüchtlinge aus Syrien: Erdogan droht Europa mit Grenzöffnung

Die Türkei fordert mehr EU-Engagement bei der Lösung der syrischen Flüchtlingskrise.

Angesichts von 3,6 Millionen syrischen Flüchtlingen in seinem Land und einem drohenden Zustrom von bis zu einer Million weiterer Syrer aus der umkämpften Provinz Idlib fordert der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan mehr europäisches Engagement zur Lösung der Krise. In einer Rede vor Regionalpolitikern seiner Regierungspartei AKP in Ankara sagte Erdogan am Donnerstag, bisher habe die EU nicht genügend getan. „Sollen wir diese Last alleine tragen?“

Konkret forderte Erdogan europäische Hilfe bei der Einrichtung einer „Sicherheitszone“ im Nordwesten Syriens. Der Präsident bekräftigte, die Türkei werde andernfalls auf eigene Faust in Syrien einmarschieren sowie „die Tore öffnen“ und Flüchtlinge nach Europa schicken.

Die Türkei hat Erdogan zufolge bisher rund 40 Milliarden Dollar für die Versorgung der syrischen Flüchtlinge ausgegeben. Das Innenministerium in Ankara schätzt, dass die Kämpfe in der syrischen Provinz Idlib an der Grenze zur Türkei noch einmal 300 000 bis eine Million Menschen zu Flüchtlingen machen könnten.

In seiner Rede sprach Erdogan zudem die hunderttausenden afghanischen Flüchtlinge in der Türkei an. Nach Regierungsangaben wurden in diesem Jahr bereits 30 000 Afghanen in ihr Heimatland abgeschoben.

Die Türkei fühlt sich alleingelassen

Erdogans Regierung wirft der internationalen Gemeinschaft vor, sie mit dem Flüchtlingsproblem alleine gelassen zu haben. Er habe in der Vergangenheit mit US-Präsident Donald Trump, dem russischen Staatschef Wladimir Putin, Bundeskanzlerin Angela Merkel und der britischen Regierung über eine „Sicherheitszone“ in Syrien gesprochen, in der Bürgerkriegsflüchtlinge Schutz finden könnten. Wenn dieser Plan umgesetzt worden wäre, würde die Türkei heute besser dastehen, sagte Erdogan. Er will in der Zone mindestens eine Million syrische Rückkehrer aus der Türkei ansiedeln.

Die Verhandlungen mit den USA über die Schaffung einer solchen Zone im Nordwesten Syriens gehen der türkischen Regierung zu langsam voran. Spätestens Ende September werde die Türkei deshalb die „Sicherheitszone“ nach eigenen Vorstellungen einrichten, sagte Erdogan; an der Grenze stehen türkische Truppen für den Einmarsch bereit.

Von Europa erwartet die Türkei logistische und finanzielle Hilfe, um die syrischen Flüchtlinge unter menschenwürdigen Bedingungen in der „Sicherheitszone“ unterzubringen. Die türkischen Pläne für die Rückführung der Flüchtlinge sind bereits sehr konkret. So soll das staatliche Wohnungsbauunternehmen Toki in der Zone zweistöckige Häuser mit Garten für die rückkehrenden Syrer bauen. Merkel habe diese Pläne gutgeheißen, hatte Erdogan Anfang des Jahres in einer Rede gesagt. Nun betonte er, wenn die europäische Unterstützung ausbleibe, werde die Türkei gezwungen sein, die Flüchtlinge nach Europa durchzulassen.

Erdogan weiß, dass Europa immer noch an der Bewältigung der Flüchtlingskrise von 2015 arbeitet und dass Politiker in der EU alles tun wollen, um eine Wiederholung der damaligen Zustände zu vermeiden. Das Flüchtlingsabkommen von 2016 erwähnte Erdogan in seiner Rede allerdings nicht ausdrücklich. Der Vertrag hat den Massenzustrom über die Türkei nach Europa stoppen können und damit auch die Türkei selbst entlastet, die bis 2016 zu einem Transitland für hunderttausende Migranten geworden war.

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