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Pro Selbstbestimmung. Mit einer Aktion für die aktive Sterbehilfe versucht die Giordano-Bruno-Stiftung in Großstädten wie Berlin oder Frankfurt am Main Aufmerksamkeit zu erregen.
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Sterbehilfe-Debatte: Entscheidung über Leben und Tod

Eine Politikergruppe um Karl Lauterbach und Peter Hintze will ärztlich assistierten Suizid erlauben. Doch um die Sterbehilfe wird weiter höchst kontrovers diskutiert.

Dürfen Ärzte oder Organisationen unheilbar kranken Menschen beim Sterben helfen? Das ist eine ethisch und moralisch hochbrisante Frage, die die schwarz-rote Koalition nun klären will. Eine neue Gesetzesregelung zur Sterbehilfe will sie auf den Weg bringen. Worüber Abgeordnete und Ärzte seit langem gestritten haben, wird nun konkreter: Am Donnerstag legte eine Gruppe von Bundestagsabgeordneten um Peter Hintze (CDU) und SPD-Fraktionsvize Carola Reimann ein fraktionsübergreifendes Positionspapier vor. Einen ersten Meinungsaustausch soll es am 13. November geben. Mit einer Parlamentsentscheidung ist aber frühestens in einem Jahr zu rechnen.

Das Thema Sterbehilfe spaltet die Gesellschaft, denn es berührt tiefe Ängste. Viele Menschen fürchten, in ihrer letzten Lebensphase nicht mehr über ihr eigenes Leben bestimmen zu können und unnötig zu leiden. Die aktive Sterbehilfe, die sogenannte Tötung auf Verlangen, ist in Deutschland strikt verboten – und dabei wird es auch künftig bleiben. Die passive Sterbehilfe meint den Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen, in der Regel durch den Arzt. Dieses bewusste Sterbenlassen etwa durch das Abschalten eines Beatmungsgerätes ist zulässig, wenn es dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Patienten entspricht.

Verzwickte Rechtslage

Kern der aktuellen Debatte ist die Beihilfe zur Selbsttötung, auch assistierter Suizid genannt. Hier ist die Rechtslage verzwickt. So darf etwa ein Angehöriger einem Sterbewilligen zwar eine Überdosis Schlaftabletten besorgen. Unter Umständen muss er nach der Einnahme aber den Notarzt rufen, um sich nicht der unterlassenen Hilfeleistung schuldig zu machen. Deswegen zieht es viele Deutsche zu Sterbehilfe-Organisationen in die Schweiz.

So komplex das Thema, so vielschichtig sind die Meinungen. Der Riss geht selbst quer durch die Parteien. Reimann und Bundestagsvizepräsident Hintze, die SPD-Politiker Karl Lauterbach und Burkhard Lischka sowie Katherina Reiche (CDU) und Dagmar Wöhrl (CSU) wollen im Bürgerlichen Gesetzbuch klar regeln, dass Ärzte unter strengen Voraussetzungen unheilbar Kranken beim Sterben helfen dürfen. „Wir wollen schwer leidenden Menschen ein Sterben in Würde ermöglichen“, sagte Hintze am Donnerstag bei der Vorstellung des Papiers.

Verbot von Sterbehilfe-Vereinen?

Er stellt sich damit gegen führende Unionspolitiker wie Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU), die jede Form der organisierten Sterbehilfe unter Strafe stellen wollen. Nach Auffassung von Gröhe wird die Würde eines Schwerstkranken am besten gewahrt, indem er „Zuwendung“ und „bestmögliche“ Pflege erhalte. Die SPD-Politikerinnen Kerstin Griese und Eva Högl wiederum plädieren für einen „Weg in der Mitte“. Sie wollen keine neuen Gesetzesregelungen, fordern aber ein Verbot von Sterbehilfe-Vereinen. Einig sind sich alle Fraktionen darin, Palliativmedizin und Hospizangebote auszubauen.

Vor allem Ärzte bewegen sich heute in einer Grauzone. In den Grundsätzen der Bundesärztekammer zur Sterbebegleitung heißt es lediglich: „Die Mitwirkung des Arztes bei der Selbsttötung ist keine ärztliche Aufgabe.“ Namhafte Palliativmediziner, Ethiker und Juristen forderten unlängst, Ärzte sollten Sterbenskranke unter bestimmten Bedingungen in den Tod begleiten dürfen. Wie zwiespältig das Thema Sterbehilfe sein kann, zeigt nicht zuletzt der Fall des scheidenden Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider. Er gestand im Sommer überraschend ein, er würde seine an Krebs erkrankte Frau auch in die Schweiz zur Sterbehilfe begleiten – „gegen meine Überzeugung“. (AFP)

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