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Ein Bild aus entspannten Tagen: Trinh Xuan Thanh sitzt in Berlin auf einer Parkbank.
© AFP

Trinh Xuan Thanh: Entführung entwickelt sich zur Staatsaffäre

Nach der Entführung eines Vietnamesen aus Berlin durch vietnamesische Agenten hat die Bundesregierung Hanoi aufgefordert, ihn unverzüglich zurückreisen zu lassen.

Herr Trinh sei ein „kultivierter, weltgewandter Mensch“, erinnert sich die Berliner Anwältin Petra Isabel Schlagenhauf, „kein Apparatschik, kein grauer Bürokrat“. Schlagenhauf ist dafür bekannt, dass sie die Interessen ihrer Mandanten vehement vertritt, doch im Fall des Vietnamesen Trinh Xuan Thanh bleibt ihr höchstens ein Fünkchen Hoffnung, ihm jemals wieder gegenüberzustehen. Am Donnerstag präsentierte Vietnams Fernsehsender VTV 1 den 51 Jahre alten Mann, der am 23. Juli in Berlin vom Geheimdienst des sozialistischen Regimes entführt wurde. Trinh – in Vietnam wird der Nachname zuerst genannt – gab ein trauriges Bild ab. Schlagenhauf, in Berlins vietnamesischer Gemeinde gut vernetzt, bekam mit, dass das Staatsfernsehen ihren Mandanten vorführt.

Trinh sei „sehr abgemagert“, sagt die Anwältin dem Tagesspiegel, „er stand erkennbar unter Stress“. Er habe ausgesagt, in Deutschland gewesen zu sein. „Ich habe mich lange versteckt, ich hatte Angst und komme zurück und stelle mich“, zitiert sie seine Worte. Dass Vietnam derart rabiat mit Trinh umspringen würde, war für Schlagenhauf unvorstellbar.

„Wir haben zwar versucht, dafür zu sorgen, dass nicht bekannt ist, wo er sich aufhält“, sagt sie, „aber auf die Idee, dass er entführt wird, sind wir nicht gekommen.“ Weder sie und offenbar auch niemand in Bundesregierung und Sicherheitsbehörden hat sich vorstellen können, das bei deutschen Touristen beliebte Vietnam könnte ausgerechnet in Berlin ein unangenehmes Gesicht zeigen.

Die Entführung von Trinh sowie einer weiblichen, ebenfalls vietnamesischen Begleiterin im Stadtteil Tiergarten ist eine Staatsaffäre, wie sie die Bundesrepublik länger nicht erlebt hat. Die „Sozialistische Republik Vietnam“ offenbar auch nicht. Am Donnerstag versucht sich das Regime in Schadensbegrenzung.

"Persona non grata"

Eine Sprecherin des Außenministeriums sagt in Hanoi, Vietnam lege „immer großen Wert auf die strategische Partnerschaft mit Deutschland“. Die Beamtin gibt auch ihr „Bedauern“ über die Entscheidung der Bundesregierung kund, den Residenten des vietnamesischen Geheimdienstes TC2 an der Botschaft in Berlin auszuweisen. Das Auswärtige Amt hatte den Mann am Mittwoch zur „Persona non grata“ erklärt und verlangt, er müsse innerhalb von 48 Stunden Deutschland verlassen. Regierungskreise deuteten an, es sei zu erwarten, dass der Geheimdienstler die Frist nicht verstreichen lasse. Anderenfalls drohe ihm der Verlust der diplomatischen Immunität – und womöglich ein Haftbefehl.

Vietnams Botschafter Doan Xuan Hung wurde bereits am Dienstag ins Auswärtige Amt einbestellt und bekam von Staatssekretär Markus Ederer wenig freundliche Worte zu hören. Außenamtssprecher Martin Schäfer verzichtete am Mittwoch jedenfalls auf diplomatische Floskeln. Die Entführung sei ein „präzedenzfallloser und eklatanter Verstoß gegen deutsches Recht und gegen das Völkerrecht“, sagte Schäfer. Der Vorgang habe „das Potenzial, die Beziehungen zwischen Deutschland und der Sozialistischen Republik Vietnam massiv negativ zu beeinflussen“. Es werde verlangt, dass Trinh „unverzüglich nach Deutschland zurückreisen kann“.

Aus Schlagenhaufs Sicht ist Trinh eine Schachfigur im Machtkampf rivalisierender Fraktionen der Kommunistischen Partei Vietnams. Von 2007 bis 2012 war er Chef eines staatlichen Ölkonzerns, von 2011 bis 2016 führte er zudem das „Volkskomitee“ der Provinz Hau Giang. Trinh zählte offenbar zu den Anhängern des 2016 gestürzten Regierungschefs Nguyen Tan Dung, der sich mit KP-Generalsekretär Nguyen Phu Trong überworfen hatte. Im September 2016 wurde ein Haftbefehl gegen Trinh ausgestellt, er setzte sich nach Deutschland ab. 2017 beantragte er Asyl.

Die vietnamesischen Behörden werfen Trinh vor, große Summen veruntreut zu haben. Interpol notierte sich den Mann. Beim G-20-Gipfel in Hamburg sprachen vietnamesische Funktionäre mit Vertretern der Bundesregierung und drängten auf eine Auslieferung. Doch den deutschen Behörden ist unklar, ob die Vorwürfe gegen Trinh zutreffen. Schlagenhauf vermutet, das vietnamesische Regime wolle ein Exempel statuieren. Zu befürchten sei, Trinh müsse in einem Schauprozess auftreten, als reuiger Sünder aussagen und hochrangige Kader belasten.

Unabhängig vom aktuellen Fall gehen die Behörden in Vietnam seit einigen Wochen sehr hart gegen Regierungskritiker vor, berichtet die Nachrichtenagentur dpa. Anfangs wurde dies international kaum registriert. Durch wirtschaftliche Erfolge hat der 95-Millionen-Einwohner-Staat sein Image kräftig aufgebessert. Als Gast sind die Vietnamesen inzwischen sogar im G-20-Kreis der großen Industrie- und Schwellenländer dabei. Dass der Fall TXT nicht das einzige Indiz für den Kurs des Regimes ist, zeigte sich im Juni: Da erhielt die bekannte Politbloggerin Nguyen Ngoc Nhu Quynh zehn Jahre Haft.

"Sag' niemals wie": Lesen Sie hier eine Reportage über Agenten, Spitzel und Spione in Berlin.

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