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Netzleitstelle des Berliner Stromnetz, das jetzt verstaatlicht werden soll.
© imago/Bernd Friedel

Berliner Stromnetz: Energiepolitik vor Gericht

Wenn die Politik das Netz verstaatlicht, gibt sie die Gestaltungskraft an die Justiz ab. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Alfons Frese

Matthias Kollatz traut sich was. Der Berliner Finanzsenator setzt die Politik seines Vorgängers Ulrich Nußbaum fort, obwohl der dafür vor Gericht eine Klatsche bekommen hat. Nußbaum gab vor fünf Jahren der landeseigenen Gesellschaft Berlin Energie den Zuschlag für den Betrieb des Gasnetzes; unter Kollatz bekommt Berlin Energie jetzt den Zuschlag für das viel größere und profitablere Stromnetz. Und kann sich auf eine langwierige juristische Auseinandersetzung mit Vattenfall einstellen. Die nutzt nur den Anwälten, die an dem vermurksten Konzessionsverfahren Millionen verdienen – gespeist aus Steuergeld.

Der rot-rot-grüne Senat hatte sich frühzeitig festgelegt und eine volle Verstaatlichung der Energienetze beschlossen. Das ist zwar leicht in einen Koalitionsvertrag geschrieben. Es aber auch durchzusetzen in einem rechtlich komplizierten Vergabeverfahren, das diskriminierungsfrei abzulaufen hat, ist schwer. Denn grundsätzlich geht der Alt-Konzessionär mit seiner Erfahrung und Kompetenz als Favorit in ein Konzessionsverfahren. Zumal gegen ein Greenhorn wie die Berlin Energie.

Berlin ist ein Greenhorn

Die landeseigene Gesellschaft hat keine Erfahrung, aber ein Netzwerk an Partnern, zu denen unter anderem die Eon-Tochter Edis gehört. Und wenn Berlin Energie die 1300 Mitarbeiter der Vattenfall- Tochter Stromnetz Berlin GmbH übernimmt, dann wäre eine reibungslose Bewirtschaftung des 35 000 Kilometer langen Netzes möglich. Dazu wird es aber nur kommen, wenn Vattenfall aufgibt und das Strom- und womöglich auch das Berliner Fernwärmenetz für ein paar Milliarden an das Land verkauft und sich aus der Stadt zurückzieht.

Der schwedische Staatskonzern hat sich zwar aus der Braunkohle in der Lausitz und aus Hamburg, seinem zweitgrößten deutschen Markt, zurückgezogen. In Berlin dagegen wollte man unbedingt im Geschäft bleiben und war dem Senat entgegengekommen: Wenn der Konzern erneut die Konzession bekommen hätte, wäre dem Land eine Beteiligung an der Netzgesellschaft eingeräumt worden. Und nach einer Übergangszeit von fünf Jahren hätte Berlin sogar die Mehrheit übernehmen dürfen

Vielleicht kommt es am Ende nur auf den Preis an

Finanzsenator Kollatz hat sich gegen dieses Kooperationsmodell und für die Konfrontation mit Vattenfall entschieden. Auch um des Friedens willen in der Koalition. Für die Gestaltung der Energiewende in der vermeintlich smarten City Berlin kann das verheerende Folgen haben, weil die Gestaltungskraft und Investitionsfreude von Politik und Unternehmen an die Justiz abgegeben wurde. Die Berliner Energiepolitik hängt damit auch die kommenden Jahre vor den Gerichten fest. Und der Nachfolger von Kollatz kann sich in der nächsten Legislaturperiode mit dem Thema rumschlagen. So weit, so schlecht.

Oder es kommt alles doch ganz anders, und der Regierende Bürgermeister und der Finanzsenator haben vor zwei Wochen beim Besuch der Vattenfall-Bosse das Signal bekommen, dass die Schweden keine Lust mehr haben auf das schwierige Geschäft in Berlin. Dann kommt es nur noch auf den Preis an. Für gut zwei Milliarden Euro gehört das Netz dem Land Berlin.

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