Türkei: Elf Tote bei Bombenanschlag auf Polizeibus in Istanbul
Wieder ein Anschlag im Zentrum von Istanbul: Attentäter sprengten eine Bombe, als ein Polizeifahrzeug vorbeikam. Die Polizei hat vier Verdächtige festgenommen.
Die Täter hatten den Moment genau abgepasst. Als ein Bus der türkischen Bereitschaftspolizei am Dienstagmorgen im Bezirk Vezneciler, nur wenige hundert Meter vom berühmten Großen Bazar entfernt, während einer Wachablösung eine Reihe geparkter Autos passierte, sprengten sie eines der Fahrzeuge in die Luft. Die Explosion warf den Bus auf den Mittelstreifen der mehrspurigen Durchgangsstraße. Mindestens sieben Polizisten und vier Passanten starben, 36 weitere Menschen wurden verletzt.
Am Dienstagnachmittag nahm die Polizei vier Verdächtige fest. Sie wurden in die Istanbuler Polizeidirektion gebracht, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu. Die Nachrichtenagentur DHA berichtete, bei dem Anschlag sei ein Mietwagen für die Autobombe verwendet worden. Zu den vier Festnahmen sei es im Zusammenhang mit der Anmietung des Fahrzeugs gekommen.
Die Wucht der Explosion im morgendlichen Berufsverkehr gegen 08.40 Uhr Ortszeit (07.40 Uhr MESZ) ließ in umliegenden Gebäuden und auch in einer nahen Moschee in der zum Stadtteil Beyazit gehörenden Gegend die Scheiben bersten.
Es war bereits der dritte schwere Terroranschlag in Istanbul in diesem Jahr. Im Januar und im März hatten sich Selbstmordattentäter der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) in der Innenstadt in die Luft gesprengt und zwölf deutsche Touristen sowie vier iranische und israelische Besucher getötet. Im Februar und im März sprengten sich Mitglieder der Freiheitsfalken Kurdistans (TAK), einer Splittergruppe der kurdischen Terrorgruppe PKK, bei zwei Anschlägen in Ankara in die Luft und töteten mehrere Dutzend Menschen.
Auch nach der neuen Gewalttat vom Dienstag richtet sich der erste Verdacht gegen kurdische Extremisten: Dafür sprach nicht nur das Ziel – Mitglieder der Sicherheitskräfte. Auch die Methode der Autobombe in Beyazit erinnerte an die Anschläge von Ankara. Laut Medienberichten ging die Polizei Hinweisen auf eine Fernzündung des Strengstoffautos nach.
Eskalation im Kurdenkonflikt
Die Gewalttat kommt zu einer Phase, in der die Spannungen im Kurdenkonflikt eskalieren. Die terroristische PKK greift im Kurdengebiet fast jeden Tag die Sicherheitskräfte an, die türkische Luftwaffe bombardiert Stellungen der PKK in Südostanatolien und im Nordirak.
Heftige Gefechte hatten in den vergangenen Monaten ganze Städte im Kurdengebiet in Schutt und Asche gelegt. Der Anschlag sei die Quittung für jene, die glaubten, das Land regieren zu können, „in dem sie die Städte zerstören und die Menschen töten“, schrieb die Journalistin Ezra Yalazan auf Twitter.
Auf der politischen Ebene wirft Präsident Recep Tayyip Erdogan türkischstämmigen Bundestagsabgeordneten in Deutschland vor, PKK-Helfer zu sein – und lässt mit einer Massenversetzung von fast 4000 Richtern und Staatsanwälten die erwarteten Terror-Prozesse gegen kurdische Abgeordnete vorbereiten. Der kurdische Parlamentsabgeordnete Sirri Süreyya Önder sagte, Erdogan wolle mit den Umbesetzungen sicherstellen, dass die Mitglieder der Kurdenpartei HDP vor Gericht gestellt und verurteilt würden.
Nach der Parlamentsentscheidung zur Aufhebung der Immunität aller Abgeordneten im vergangenen Monat – eine Grundlage für Prozesse gegen Kurdenpolitiker – lag die Entscheidung am Dienstag Präsident Erdogan zur Abzeichnung vor. Ob es einen Zusammenhang zwischen dem Anschlag und diesem Datum gab, war zunächst unklar.