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So sah Tagesspiegel-Karikaturist Klaus Stuttmann das Ergebnis vor zehn Jahren.
© Karikatur: KS

Zehn Jahre Föderalismusreform: Einheit geht vor Vielfalt

Vor zehn Jahren trat die große Bundesstaatsreform in Kraft. Die erhoffte Einschränkung des kooperativen Föderalismus hat sie nicht gebracht. Der unitarische Imperativ herrscht weiter vor. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Albert Funk

Ein Jahrestag, der vorbeigehuscht ist: zehn Jahre Föderalismusreform. Die „Mutter aller Reformen (Edmund Stoiber), aus der dann eher ein Mütterchen wurde. Nach jahrelanger Vorbereitung von der großen Koalition 2005 beschlossen, trat sie ein Jahr darauf in Kraft. Und? War was? Nein. Die Reform hat einige Änderungen gebracht, die das Verhältnis von Bund und Ländern etwas umfrisierten. Aber der eigentliche Ansatz, zu mehr bundesstaatlicher Transparenz zu kommen, zu mehr Eigenverantwortung der staatlichen Ebenen, zu mehr politischer Flexibilität, er hat nicht weit getragen. Ein sichtbares Ergebnis ist zweifellos, dass der Anteil der Gesetze, welchen der Bundesrat zustimmen muss (oder darf?), von 55 auf 39 Prozent gesunken ist, wie zwei Mannheimer Politologen jetzt errechnet haben. Aber dazu dürfte auch beigetragen haben, dass seit 2005 zwei große Koalitionen regierten, die dazu neigten, Bund-Länder-Konflikte außerhalb der vom Grundgesetz vorgezeichneten Bahnen auszutragen. Das Merkel’sche Regierungsinstrument der „Gipfel“ mit den Ministerpräsidenten ist Ausdruck dessen (mit steigender Frequenz der Treffen in der Flüchtlingskrise). Wie stark der Bundesrat durch diese politische Umgehungsinstanz entmachtet wurde, zu Gunsten der Ministerpräsidentenkonferenz, von der in der Verfassung nichts steht, zeigt die Tatsache, dass es in den letzten drei Jahren genau zwei Vermittlungsverfahren gegeben hat. 

Kooperationsverbot - ein Kampfbegriff

Die mit der Reform vor zehn Jahren eigentlich angestrebte Entflechtung ergab sich kaum. Im Hochschulsektor vor allem hätte es sie geben können, aber die Anhänger des kooperativen, verschränkten und verschwurbelten Bundesstaats fanden schnell den tödlichen Kampfbegriff des „Kooperationsverbots“ - die gewohnte, in Jahrzehnten eingeschliffene Bund-Länder-Verflechtung war flugs wieder Normalität. In der Schulpolitik wird der Widerstand auf Landesebenen wohl irgendwann fallen. In der Wohnungsbaupolitik holt sich der Bund gerade seine verlorene Gestaltungsfähigkeit zurück. Widerstand in den Ländern? Ach wo. Ein Bundesminister muss nur mit dem Scheckbuch wedeln, dann fallen seine Länderkollegen reihenweise auf die Knie. Was auf den eigentlichen Kern des Problems verweist: Die föderalen Finanzen sind auch stark verschränkt, und das läuft immer auf einen Vorteil des Bundes hinaus. Aber zumindest bei den Steuern stärker auf ein Trennmodell zu setzen, das haben sich die tapferen Föderalismusreformer schon vor zehn Jahren nicht getraut.

Unitarischer Imperativ

Nun ist Kooperation der staatlichen Ebenen nicht zu vermeiden, die politischen Probleme lassen sich selten nach Bund und Land scharf trennen, sie gehört dazu, ohne sie funktioniert kein Bundesstaat. Es kommt aber auf das Ausmaß an. Und hier darf man nach wie vor konstatieren, dass es in Deutschland auch weniger sein könnte. Denn kooperativer Föderalismus mit seiner Aufwertung der Exekutive und seiner Degradierung der Parlamente ist auch sehr bürokratisch, er ist manchmal ziemlich teuer (alle Beteiligten wollen gewinnen) und er neigt dazu, Verantwortung zu verwischen. Aber die meisten Deutschen mögen ihren Bundesstaat gern mit einer Schlagseite zum Zentralen hin. Einheit gleich Einheitlichkeit gleich Einfachheit ist die Formel. Das kommt immer gut an. In Deutschland herrscht der unitarische Imperativ. Es ist ein falsches Denken.

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