Russland-Kontakte: Eine Zukunft ohne Trump
Seit die Russland-Kontakte des Präsidenten-Sohnes bekannt sind, herrscht im Weißen Haus Katastrophenstimmung. Vizepräsident Pence geht auf Distanz.
Donald Trump ist untergetaucht. Seit seiner Rückkehr vom G-20-Gipfel am vergangenen Wochenende ist der US-Präsident nicht mehr öffentlich aufgetreten – offenbar, um keine unangenehmen Fragen zum Verhalten seines Sohnes im Russland-Skandal beantworten zu müssen. Laut Medienberichten herrscht im Weißen Haus Alarmstimmung.
Nur einer hält sich aus allem raus: Trumps Vize-Präsident Mike Pence distanziert sich von der Russland-Affäre. Manche Beobachter in Washington sind überzeugt, dass Pence diskret an einer Zukunft ohne Trump arbeitet.
Trump Jr. hatte zugegeben, sich im vergangenen Jahr bei Russland um belastendes Wahlkampfmaterial über Hillary Clinton bemüht zu haben. Damit warf der 39-jährige die bisherige Strategie der Regierung im Russland-Skandal über den Haufen. Das Weiße Haus kann ab sofort nicht mehr behaupten, es habe keine russischen Versuche zur Einflussnahme auf den US-Wahlkampf gegeben. Selbst konservative Trump-Anhänger wie der frühere Abgeordnete Joe Walsh sprechen von einer „Schande“.
Hilflosigkeit macht sich breit
Im Trump-freundlichen Nachrichtensender Fox News rechtfertigte der Präsidentensohn sein Verhalten. Heute würde er manches anders machen, sagte er. Regierungsanhänger betonen, Trump Jr. sei eben unerfahren – oder ein „Idiot“, wie das Trump-freundliche Blatt „New York Post“ es ausdrückte. Kriminelle Absichten habe Sohn des Staatschefs aber nicht gehabt, lautete die neue Verteidigungslinie.
Trump Senior lobte den 39-jährigen Donald Jr. am Mittwoch auf Twitter als „unschuldig“ und rügte erneut die Medien. Aber so richtig überzeugend wirkten die Tweets nicht. Die Russland-Kontakte von Donald Trump Junior seien wie ein Wirbelsturm der Höchststufe 5, zitierte die „Washington Post“ einen Verbündeten der Trumps.
Auch andere US-Medien beschreiben eine chronische Krisenstimmung im Weißen Haus, wo Präsident Trump nach wie vor überzeugt sei, dass die ganze Russland-Affäre ein gegen ihn gerichtetes Komplott ist. Ein Mitarbeiter der Regierungszentrale sagte dem Magazin „Politico“, der Beraterstab fühle sich angesichts der immer neuen Enthüllungen „hilflos“.
Trump präsentiert eine ganz neue Theorie
Trump gab derweil dem ihm wohlgesonnenen christlichen Sender CBN ein Interview. Darin ging er auch auf seine erste Begegnung mit Russlands Präsident Wladimir Putin am Freitag beim G20-Gipfel in Hamburg ein. Das Treffen sei „exzellent“ gewesen, sagte er in einem am Mittwoch veröffentlichten Auszug des Gesprächs.
Der Präsident wollte allerdings auch glauben machen, dass Putin es besser gefunden hätte, hätte Clinton die Wahl für sich entschieden. „Wenn Hillary gewonnen hätte, wäre unser Militär dezimiert worden. Unsere Energie wäre viel teurer geworden. Das ist etwas, was Putin an mir nicht mag“, sagte Trump. Deshalb ergebe es keinen Sinn, dass es heiße, Putin habe ihn favorisiert. Er selbst tue in vielen Bereichen das „genaue Gegenteil“ von dem, was der russische Präsident wolle.
Donald Jr. berät seinen Vater - und das Weiße Haus offenbar ihn
Präsident Trump wird erst bei einem anstehenden Besuch in Frankreich in den kommenden Tagen wieder vor die Presse treten müssen. Doch in Washington brodelt der Skandal weiter. Am Mittwoch tauchten Berichte auf, wonach die ersten Stellungnahmen von Trump Jr. zu den Russland-Kontakten, in denen er Gespräche über Wahlkampfhilfen gegen Clinton dementiert hatte, entgegen der offiziellen Angaben von Anfang an im Weißen Haus entworfen worden sein sollen. Das würde bedeuten, dass die amerikanische Regierung versucht hat, die ganze Sache unter den Teppich zu kehren.
Während die Regierung immer stärker in den Strudel der Affäre gerät, geht Vizepräsident Pence seinen eigenen Weg. Er gebe sich nicht mit Dingen ab, die vor seinem Eintritt in den Wahlkampf geschehen seien, ließ Pence erklären. Damit wäscht er mit Blick auf die Russland-Gespräche von Trump Jr. vom Juni vergangenen Jahres seine Hände in Unschuld. Pence wurde erst im Juli zu Trumps Kandidaten für das Vizepräsidentenamt ernannt.
Im Weißen Haus sei die Stellungnahme des Vize überhaupt nicht gut angekommen, meldete „Politico“. Schließlich hätte Trumps Stellvertreter seinem Chef auch zur Hilfe eilen können. Dass er das ausdrücklich nicht tut, nährt Spekulationen, wonach der 58-jährige erzkonservative frühere Gouverneur des Bundesstaates Indiana an die eigene Zukunft denkt.
Will Pence US-Präsident werden?
Offiziell möchte keiner im Regierungslager darüber reden, dass Pence im Falle eines Amtsenthebungsverfahrens gegen Trump an die Staatsspitze rücken würde. Doch es gibt Anzeichen dafür, dass der Vizepräsident gezielt darauf hinarbeitet. So hat er sein eigenes Unterstützungskommittee mit Blick auf die Wahl 2020 gegründet, was für einen Vize ungewöhnlich ist. Normalerweise gehören solche Komitees zu den Vorbereitungen von Politikern, die das Präsidentenamt anstreben. (mit dpa)