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Der Eröffnungstermin für den BER ist verkündet.
© Patrick Pleul,dpa

BER-Eröffnung am 31. Oktober 2020: Eine ziemlich abgehobene Vorstellung

Der Start des BER war für 2012 avisiert. Sechseinhalb Jahre, tausende Baumängel und drei Milliarden Euro später gibt es einen neuen Termin. Ein Kommentar.

Niemand hatte die Dimension des Desasters wirklich erfasst, als am 8. Mai 2012 die unmittelbar bevorstehende Eröffnung des Flughafens BER platzte. Management, Politik und Aufsichtsrat gaben sich zwar zerknirscht und verärgert, aber auch optimistisch: Dann werde eben „bei nächster Gelegenheit“ eröffnet, die volle Funktionsfähigkeit sei jedenfalls „nach dem Sommer erreicht“. Welcher Sommer gemeint war, wurde allerdings nicht gesagt.

[Jetzt mal konkret: Um welche Uhrzeit startet denn nun die erste Maschine? Und ab wann wird am BER gelandet? Der BER-Chef im Interview mit dem "Tagesspiegel Checkpoint" im März 2020 - hier das Interview]

Und auch der Tagesspiegel blickte im Leitartikel (vom Autor auch des heutigen Leitartikels geschrieben) in diesem Moment des größten Versagens gleich wieder nach vorne: „Zwanzig Jahre wurde geplant und gebaut, für die kommenden fünfzig Jahre, Milliarden haben die Gesellschafter investiert – da erscheinen die Extrawochen und Extramillionen irgendwann zwangsläufig als Anekdote: Ach ja, der Tag, als die Partyhauptstadt ihre größte Party absagte. Es ist kein Trost für diesen Tag, aber der Flughafen selbst, modern und schön, wie er ist, wird schon bald größer und wichtiger sein als seine verpatzte Eröffnung.“

So kann man sich täuschen – oder täuschen lassen. Aus den Extrawochen wurden bis heute sechseinhalb Jahre, aus den Extramillionen mindestens drei Milliarden, aus der Anekdote eine Ansammlung bitterer Witze, aus Gelassenheit berechtigte Empörungen über einen Skandal.

„In der Gesamtbetrachtung ist dieser Flughafen eine Erfolgsgeschichte“, darauf beharrte Ex-Bürgermeister Klaus Wowereit damals. Tatsächlich geht der wirtschaftliche Schaden der Nichteröffnung von 2012 weit über die unmittelbaren BER-Zusatzkosten hinaus. Die gesamte Region verpasste wegen des fehlenden Flughafens, damals angekündigt als „der modernste Europas“, große Chancen. Beschädigt wurde auch das Vertrauen in deutsche Ingenieurskunst, in Geschäftsführer und aufsichtsratende Politiker.

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Noch gibt es mehr als 2000 Mängel

Und immer, wenn „das Monster“ gezähmt schien, ein neuer Eröffnungstermin avisiert war (sechs Absagen gab es seit 2012), erwachte es wieder, klapperte mit den Türen, tröpfelte vor sich hin, flackerte mit dem Licht, als hätte es ein unbezähmbares Eigenleben. Und noch immer sind mehr als 2000 Mängel nicht behoben, fehlt die Freigabe von TÜV und Baubehörde. Warum also sollte es diesmal funktionieren, am 31. Oktober 2020, dem letztmöglichen Tag also, um den bereits versprochenen Monat zu halten?

Vielleicht deswegen: Flughafenchef Lütke Daldrup, selbst Ingenieur, hat sich mit den Details beschäftigt wie niemand vor ihm – auch weil er selbst ein Getäuschter ist: Als zuständiger Staatssekretär war ihm das Ausmaß des Desasters nicht klar geworden. Jetzt zog er Konsequenzen. Und vielleicht auch deshalb, weil der BER eben doch kein Monster ist, kein Dom und keine Sagrada Familia, sondern nur ein besonders verkorkster Zweckbau, der in die Jahre kommt.

„Wir werden fertiger und fertiger“, hatte 2014 der damalige Flughafenchef Hartmut Mehdorn festgestellt, was unfreiwillig komisch klang angesichts der sorgenzerfurchten Gesichter in Management, Politik und Aufsichtsrat.

Engelbert Lütke Daldrup erwies sich auch hier als pragmatischer Realist, als er 2017 verkündete: „Ein Flughafen ist nie fertig.“ Am letzten Oktobertag 2020 tritt der BER, Stand heute, also nur in einen neuen Aggregatzustand ein. Oder eben ein paar Extrawochen später. Ziemlich abgehobene Vorstellung, nach alledem.

Lorenz Maroldt

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