Baschar al Assad und Syrien: Eine Wahl in Trümmern
Syriens Präsident Assad lässt über sich abstimmen – mitten im Bürgerkrieg, der bisher mindestens 160.000 Menschenleben gekostet hat. Europa nennt die Wahl eine "zynische Farce".
Der junge Mann sitzt auf dem Hof der Ommayaden-Moschee von Damaskus, während der Gebetsruf aus den Lautsprechern tönt. „Mein Bruder starb, bringt ihn mir zurück und all die anderen Getöteten – dann könnt ihr so viele Wahlen veranstalten, wie ihr wollt“, sagt er. Ein junger Autofahrer, der lässig die Hand auf dem Steuer hat, sein Gesicht auf dem Video ist verpixelt, redet ruhig in die Kamera: „Ihn wiederwählen – wozu? Für alle die Getöteten, für alle die Verhafteten, die dann als Leichen entlassen wurden? Warum sollte er an der Macht bleiben?“ Beides sind Stimmen einer Straßenumfrage in Damaskus, die Anti-Assad-Aktivisten unter dem Titel „Syriens Blutwahlen“ ins Netz gestellt haben.
An diesem Dienstag will sich Baschar al Assad für eine dritte, siebenjährige Machtperiode im Präsidentenamt bestätigen lassen. Sein Regime fühlt sich auf der Siegerstraße und ist überzeugt, den Bürgerkrieg, der bisher 160 000 Menschenleben gekostet hat, am Ende zu gewinnen. Der 48-jährige Diktator denkt gar nicht daran, mit seinen Gegnern ernsthaft zu verhandeln oder gar den Platz zu räumen für eine Übergangsregierung.
Das Zentrum von Damaskus ließ Assad in Jubelboulevards verwandeln. Kaum eine Fassade ist ohne überlebensgroße Poster des Präsidenten. Mal salutiert der Potentat mit Sonnenbrille, mal lächelt er staatsmännisch auf seine Untertanen herab. Untermalt vom ständigen Geschützdonner rund um die Hauptstadt treibt der seit fünf Jahrzehnten übliche Assad-Kult in Syrien neue bizarre Blüten. Schaufenster, Autos und Laternenpfähle sind gepflastert mit Regime-Stickern. „Niemand anderes als Baschar“ und „Gemeinsam für den Wiederaufbau“ lauten die Botschaften.
Sieben Millionen Syrer sind im Land auf der Flucht
Die USA und Europa sprechen von einer „zynischen Farce“ und „einer Parodie von Demokratie“. Beifall dagegen kommt von den Verbündeten Russland und Iran, Teheran will sogar Wahlbeobachter schicken. Genauso polarisiert wie in der internationalen Arena sind die Verhältnisse vor Ort. In einem Teil Syriens herrschen bewaffnete Rebellen und radikale Al-Qaida-Brigaden. Den anderen Teil kontrolliert Assad.
Zur Wahl hat der Machthaber erstmals zwei weitgehend unbekannte Mitbewerber als Zählkandidaten zugelassen. Maher al Hajjar ist ehemaliger kommunistischer Abgeordneter, Hassan al Nuri ehemaliger Verwaltungsminister, der sein Vermögen mit Schuhbürsten gemacht hat und für eine liberale Wirtschaftspolitik wirbt. Nach Schätzungen westlicher Experten kann das Präsidentenvotum höchstens in 40 Prozent des syrischen Territoriums stattfinden, wo rund 60 Prozent der verbliebenen 20 Millionen Syrer leben. Sieben Millionen irren als Binnenflüchtlinge im Land umher. Drei Millionen haben sich jenseits der Grenzen in Nachbarländern in Sicherheit gebracht, von denen trotzdem einige zehntausend vergangene Woche in den syrischen Botschaften von Beirut und Amman für Assad votierten.
Die Wirtschaft ist verwüstet, die Schulen leer
Zugleich hat der dreijährige Bürgerkrieg das zivile Antlitz der Gesellschaft ruiniert. Nach einer Analyse der UN sind regelrechte „Wirtschaftszweige der Gewalt“ entstanden. Neue politische und ökonomische Kriegseliten in Syrien würden über internationale Netzwerke mit Waffen und Menschen handeln, seien oft beteiligt an Plünderungen, Raub, Entführungen und der Unterschlagung humanitärer Hilfen. Dagegen lebten drei Viertel der normalen Bevölkerung mittlerweile in Armut oder totaler Armut. Den volkswirtschaftlichen Schaden beziffert die Studie auf mehr als 100 Milliarden Euro. Die Hälfte aller Kinder geht nicht mehr zur Schule. In Städten wie Raqqa und Aleppo sind es sogar mehr als 90 Prozent, im Umland von Damaskus 68 Prozent. Von den 91 öffentlichen Krankenhäusern seien 61 beschädigt oder verwüstet.
„Vor zwei Jahren haben wir gedacht, es ist ausgeschlossen, dass das Regime bis zu den Wahlen 2014 durchhält“, zitiert AFP einen jungen Aktivisten aus Homs. „Ich kann nicht glauben, dass dies jetzt tatsächlich stattfindet“, fügte er hinzu und nannte das Präsidentenvotum einen Irrsinn, der „leider bedeutet, dass Krieg und Blutvergießen weitergehen“.
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