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Jesuitenpater van der Lugt spricht zu Menschen in Homs
© Reuters

Syrien-Krieg: Der letzte Europäer: Jesuitenpater Frans van der Lugt in Homs getötet

Der Jesuitenpater Frans van der Lugt lebte seit fast fünf Jahrzehnten in Homs in Syrien. Er wollte die uralte Stadt und ihre hungernden Bewohner auch im Bürgerkrieg jetzt nicht verlassen. Am Montag haben Unbekannte ihn umgebracht.

Seit seiner dramatischen Videobotschaft im Februar war er die bekannteste Stimme von Homs, der gequälten Stadt, deren altes Zentrum seit 21 Monaten von Assads Regierungstruppen belagert wird. „Wir wollen nicht in einem Meer von Leid und Elend versinken. Wir lieben das Leben. Wir wollen leben“, rief Jesuitenpater Frans van der Lugt vom Altar aus in die Handykamera und flehte die Weltöffentlichkeit an, die Bewohner in Homs nicht im Stich zu lassen. „Die Menschen sind verrückt vor Hunger, die Stadt ist zu einem gesetzlosen Dschungel geworden“, sagte er, der als letzter europäischer Ausländer noch vor Ort lebte und auch die Brutalität der islamistischen Rebellen mehrfach offen kritisierte.
Montagfrüh um 8 Uhr brachen dann zwei maskierte Bewaffnete in den Konvent der Jesuiten ein, zerrten den 75-jährigen, in den Niederlanden geborenen Seelsorger auf die Straße, prügelten auf ihn ein und brachten ihn mit zwei Schüssen in den Kopf um. Das Motiv für den Mord, der auf von Rebellen kontrolliertem Gebiet verübt wurde, ist unklar. Nach Auskunft seiner Umgebung hatte der Getötete zuvor keine Drohungen erhalten.

Syrien war dem Priester zur Heimat geworden

Der Vatikan, die niederländische Regierung und Jesuitenorden reagierten schockiert. Den Haags Außenminister Frans Timmermans schrieb auf seiner Facebook-Seite, der Ermordete habe „nichts als Gutes für Homs getan“, er sei „ein Syrer unter Syrern gewesen und auf hinterhältige Weise ermordet worden“. Der Heilige Stuhl würdigte Frans van der Lugt als einen „Mann des Friedens, der großen Mut bewies, indem er den Menschen in Syrien die Treue hielt trotz einer extrem riskanten und schwierigen Situation“. Die Kirche sei stolz und dankbar für diesen Priester, der den Leidenden so nahe gewesen sei. Ein Jesuitensprecher in den Niederlanden erklärte, ihr Mitbruder werde in Homs begraben, „wie er es sich immer gewünscht hat“.

Im Februar wurden Tausende aus Homs geholt - traumatisiert

Denn Syrien, wo der katholische Priester und Psychoanalytiker nach seinem Studium der arabischen Sprache in Beirut seit 1966 lebte, war ihm bald zur zweiten Heimat geworden. Und so weigerte sich Pater Francis, wie ihn die Menschen nannten, Homs nach Beginn des Bürgerkrieges zu verlassen. „Ich kann doch meine Herde nicht im Stich lassen“, sagte er immer und immer wieder. In den achtziger Jahren hatte der Ordensmann auf Ackerflächen außerhalb von Homs einen therapeutischen Bauernhof mit Gemüse- und Weinanbau errichtet, auf dem Jugendliche mit seelischen Problemen zusammen lebten und arbeiteten. Seit 2000 beherbergte die Einrichtung zusätzlich auch vierzig geistig Behinderte.

"Ich kann nicht akzeptieren, dass wir vor Hunger sterben"

Zehn Kirchen gab es in Homs bis zum Bürgerkrieg, 60 000 Christen lebten dort. Heute sind alle Gläubigen bis auf 66 fort, die Stadtviertel liegen zu weiten Teilen in Trümmern. „Die Menschen in Syrien haben mir so viel gegeben, so viel Zuneigung und Anregung. Jetzt, wo sie Unbeschreibliches durchmachen, will ich Leid und Last mit ihnen teilen“, sagte Pater van der Lugt. „In den Straßen sind die Gesichter gelb und ausgemergelt, die Körper schwach und ohne Kraft.“
Im Februar konnten die Vereinten Nationen dann endlich unter dem Druck der Genfer Syrienkonferenz rund 1400 der Eingeschlossenen aus der Stadt holen, alle halb verhungert, schwer traumatisiert oder durch Bomben verwundet. Auf Druck des Regimes wurden Männer und Frauen voneinander getrennt, 400 Männer zu Verhören festgenommen, von denen immer noch 91 in den Fängen der Belagerer sind. „Christen und Muslime machen schwere und schmerzvolle Zeiten durch“, bekannte Pater Frans van der Lugt auf Arabisch in seiner letzten Botschaft auf Youtube. „Aber ich kann nicht akzeptieren, dass wir vor Hunger sterben und dass die Wellen des Todes uns unterpflügen."

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