Kritik an Nahles: Eine Vorsitzende bekämpft sich selbst
Die SPD-Chefin provoziert die Genossen mit ihrem Führungsstil. Die Zahl ihrer Gegner wächst so ganz von selbst. Ein Kommentar.
Sie fordert es heraus. Andrea Nahles provoziert mit ihrem Verhalten Widerspruch und Widerstand. In den Führungsgremien der SPD, denen von Partei und Fraktion, sagen es manche Genossen schon halb resignierend. Und selbst eher wohlmeinende Sozialdemokraten finden, dass Nahles immer eine Spur „zu“ sei: zu laut, zu scharf, zu aggressiv.
„Auf die Fresse“, ihr Spruch vor gut einem Jahr zum Koalitionspartner Union, ist jedenfalls erkennbar kein Ausrutscher. Nahles ist fast immer im Kampfmodus. Das gilt für den politischen Gegner außerhalb der SPD, aber inzwischen auch innerhalb. Jüngstes Beispiel: Florian Post, bayerischer Bundestagsabgeordneter mit, zugegeben, eigenem Kopf, der immer mal wieder gegen die Fraktionslinie angeht. So beim Paragraphen 219a.
Möge sich keiner an den Begriff vom Kader erinnert fühlen
Post benutze sie nur noch als „Abort“, sagt Nahles. Was für ein Wort, allein schon das. Wie kann sie sich damit verbinden? Nun soll Post seinen Posten im Wirtschaftsausschuss verlieren. Weil die SPD arithmetisch einen Platz dort verliert, passt es. Dass das den bayerischen Genossen nicht passt, war erwartbar. Aber auch bei anderen wird’s mit dem Stillhalten schwieriger. Das Gemurre über autoritären Stil, Misstrauen und Freund–Feind–Denken der Partei– und Fraktionschefin wird hörbar und öffentlich.
Bist du nicht für sie, bist du gegen sie? Nein, schallt es der Vorsitzenden entgegen, man wird ja wohl noch anderer Meinung sein dürfen. Führung mit offenen oder verhüllten Ordnungsmaßnahmen jedenfalls kommt gar nicht an. Vorsicht: Nicht dass sich jetzt einer an den Begriff vom Kader erinnert fühlt; das waren früher die besonders vertrauenswürdigen Führungskräfte für die Partei. Es erhöht sich die Zahl derjenigen wie von selbst, die lieber hätten, wenn Nahles ihre Posten verlöre, am besten gleich beide. Sie fordert es heraus.