Tod des SPD-Politikers: Eine letzte Begegnung mit Egon Bahr
Ein Treffen mit Egon Bahr in der vergangenen Woche: Ein wenig gekrümmt sitzt er in seinem Büro, aber auch voller Vitalität und Heiterkeit. Unvorstellbar, dass dieser Mann nur noch wenige Tage zu leben haben würde.
So klein, so zerbrechlich, den Hosenbund wie immer hoch über der Hüfte mit dem Gürtel geschlossen – so sitzt Egon Bahr in seinem Büro im Willy-Brandt-Haus am Schreibtisch. Ein wenig gekrümmt auch, aber von einer Vitalität und Heiterkeit, wie sie einem 93-Jährigen selten vergönnt sind. Unvorstellbar, dass dieser Mann nur noch wenige Tage zu leben haben würde.
Das Treffen mit ihm fand in der vergangenen Woche statt. Ich war gekommen, um mit ihm für einen Artikel über den 100. Geburtstag von Franz Josef Strauß am 6. September zu sprechen. Um ihn nach Erinnerungen an den politischen Gegner zu befragen. Und ich hatte erwartet, Bahr werde nun mächtig vom Leder ziehen, schließlich war Strauß der wortmächtigste Gegenspieler seiner Politik, der Ostpolitik, der Ostverträge, Bahrs Lebenswerk.
Große Eignung zur Kanzlerschaft
Aber das Gegenteil geschah. Charmant und gewinnend sei dieser Strauß gewesen im persönlichen Umgang, gebildet, schlagfertig und ein Antidemokrat ganz gewiss nicht. Neben Willy Brandt habe es nur einen Politiker der Bundesrepublik gegeben, der eine so große Eignung zur Kanzlerschaft gehabt habe - eben dieser Franz Josef Strauß. Natürlich, damals im Wahlkampf gegen Helmut Schmidt, 1980, da habe dieser Strauß „schon geholzt“. Aber das sein nun einmal der Tribut an den politischen Alltag gewesen. Und dann sagt er den schönen Satz: „Wir haben das verdaut, ohne dass uns übel wurde.“
Ein Großer ist gestorben: Intelligent, menschlich und [von] entwaffnender Ehrlichkeit und politischer Schläue, immer der Sache verpflichtet. Der Typ, der heute nicht anzutreffen ist.
schreibt NutzerIn Hanebutt
Ich habe diese Worte aufgeschrieben und sie ihm dann zur Autorisierung zugeschickt, wie das im Umgang zwischen Politikern und Journalisten üblich ist. Am vergangenen Dienstag, zwei Tage vor seinem Tod, meldete er sich. Ja, ich hätte seine Zitate korrekt wiedergegeben, er habe nur noch einen kleinen Wunsch: Ob man nicht nach dem Satz vom politischen Alltag noch einfügen könne: „Das galt auch umgekehrt.“ Geholzt hätten schließlich beide Seiten.
Immer die Gegenseite mitdenken
Eine kleine Episode, in der sich aber der ganze Egon Bahr zeigte: Immer auch den anderen zu seinem Recht kommen lassen, immer die Gegenseite mitdenken. Wahrscheinlich war es genau diese Haltung, die ihn einst zum Führer der Verhandlungen mit Moskau und Ost-Berlin befähigte.
Lesen Sie hier noch einmal sein Berlin-Plädoyer nach, das der SPD-Politiker vor einem Jahr im Tagesspiegel veröffentlicht hat.
Einen Rückblick auf sein Leben - und Stimmen von Sigmar Gabriel, Joachim Gauck und anderen Politikern finden Sie an dieser Stelle.
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